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Mit Aufmerksamkeit und Interesse habe ich die Ausführungen von Dorothee Stender im Konsens 2019 Seite 33 ff. zur Altersdiskriminierung gelesen. Nur das Wort „Corona Risikogruppe“ existierte noch nicht. Besonders festgehalten hat mich der Absatz auf Seite 34 über die Zuordnung zu Altersgruppen. Trifft es wirklich zu, dass es kaum Forschungen zum Verhalten, zur Bewältigung von Lebens situationen oder der Stellung in der Gesellschaft von Hochaltrigen gibt?? Wer kann hier ggf. den Anfang zur Ausfüllung dieser Lücke machen? Der DAB??

Ich gehöre zur Gruppe dieser Hochaltrigen im Alter von 80 plus. Meine verschiedenen ehrenamtlichen Tätigkeiten, die z.T. her ausfordernd und zeitaufwendig waren, beendete ich im Alter von 79 Jahren.
Was nun? Warten auf „Godot“? Tätigkeiten in Vereinen, Verbänden, Stiftungen u.ä. – eventuell noch ein Vorstandsposten?? „Aber sehr geehrte, gnädige Frau, doch nicht mehr in Ihrem Alter!!“ Recht haben die, die dies sagen! Lassen wir die Jüngeren machen, denn wir haben doch schon alles gestemmt! Ein Pastor erzählte neulich, dass ihm mit 70 plus bedeutet wurde, er möge doch seine Vortragsserie in einer Radiosendung an Jüngere abgeben. Er tat es mit Einsicht und Bedauern.

Ich denke, wir Hochaltrigen schreiten auf dem Lebensweg zum Tod – jenseits der Frist von 80 Jahren, die uns im 90. Psalm Vers 10 des Alten Testaments zugebilligt werden. Wann werden wir abgewunken? Daher die Frage: Welche Rezepte gibt es für das letzte Lebensstück der Hochaltrigen, deren Enkel längst erwachsen sind?

Aber natürlich: Bildung: Konzerte, Theater, Kunstausstellungen, Literatur, wissenschaftliche, kulturelle und politische Vorträge. Doch: „Die Alte kann auch keine Ver -anstaltung auslassen, obwohl sie kaum laufen kann“, wird gezischelt. Intern: Golf, Bridge, Fernsehen, Radio, Handarbeiten. Reisen – ja, warum nicht? Es gibt so vieles zu entdecken. Aber: Schafft es mein Herz, schaffen es meine Beine, wie schwer ist der Koffer? Na, wird schon gut gehen! Wir werfen uns ins Getümmel! Aber Vorsicht: Plötzlich fehlt jemand, wird im fremden Land auf die Intensivstation gelegt. Und die Hochaltrige wollte doch nur ein letztes Mal die Mosaiken von Ravenna sehen. Russisches Roulette!!

Der feminine Aspekt ist eher erleichternd. Wirtschaften, Kochen, Versorgen, Organisieren sind wir gewohnt. Dazugekommen ist – teilweise – das Alleinleben, vielleicht seit Jahrzehnten aufgrund von Scheidung oder Tod.

Na, und nun Corona!
Wir Witwen – auch Witwer – leben doch schon allein – oder im Altersheim, genannt „Seniorenresidenz“.

Und nun erwägt die Politik, den besonderen „Schutzschirm“ über uns auszubreiten: Hochrisikogruppe, bitte zu Hause bleiben, auch wenn Jüngere sich schon wieder draußen bewegen dürfen! Nur so seid ihr sicher! Bitte nicht rausgehen, nicht anstecken, keine Notfalleinsätze! Das Thema ist sehr komplex, auch in der Abwägung Selbstbestimmung, Rücksichtnahme, Fürsorge, Ansteckungs- und Verbreitungsgefahren. Alles gut, aber bitte mit Gelassenheit und mit Augenmaß bei aller Solidarität!

Darum lassen Sie uns miteinander in dieser Corona-Zeit kommunizieren, diskutieren, Meinungen rund um Fakten austauschen, telefonieren, im Internet surfen, whatsappen, Briefe, Artikel oder ein Buch schreiben oder Gelesenes und Gefundenes weiter leiten und auf ein Wiedersehen am 11. und 12. September in Berlin hoffen.

Hat nicht Herr Walther von der Vogelweide recht, wenn er sagt: „wie man zer welte solte leben: daheinen (keinen) rat kond ich gegeben“. Letztlich gilt das auch für uns Hochaltrige.

Oder, lieber Vorstand des DAB, haben Sie eventuell Lust, einen Fragebogen zu erstellen und dadurch mit der Erforschung des Lebens der Hochaltrigen zu beginnen??

Dagmar Pohl-Laukamp, ehemalige erste Vorsitzende des DAB  2000-2006
Mitglied im DAB

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