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Bildliche Repräsentationen der Vergangenheit = Bilder der Vergangenheit?

Kritische Reflexionen prähistorischer Lebensbilder

Doris Gutsmiedl-Schümann, Sophie Friederike Heisig (Hrsg.), Verlag Dr. Rudolf Habelt GmbH, Bonn, 2022 (Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie, Band 375)
160 Seiten, € 48,00, ISBN 978-3-7749-4333-9


Beispiele des Hässlichen in der Ästhetik (1750–1850)

Jessica Güsken, Wallstein Verlag, Göttingen, 2022.
432 Seiten, € 42,00 (D) / € 43,20 (A), ISBN 978-3-8353-5312-1


Über das Hässliche lässt sich nur in Beispielen sprechen: Mit ihnen betritt man die Systemgebäude der Ästhetik durch einen Seiteneingang, der über deren Ausschlüsse und Grenzen letztlich mitten hinein führt in die normative Konstitution des modernen Geschmacks.

Im Rahmen der philosophischen Ästhetik (1750-1850), deren erklärter Leitbegriff die Schönheit ist, erscheint das Hässliche als randständiger und eigentümlich prekärer Begriff. Auch die Beispiele sind als solche etwas, das abseits des Systematischen liegt. Jessica Güsken widmet sich den Entwürfen der Hässlichkeit aus Perspektive der Beispiele, die in den Texten der Ästhetik zirkulieren und als vermeintlich »bloßes Beiwerk« philosophischer Theorie bislang keine genauere Untersuchung erfahren haben. Dabei ist die Ästhetik darauf angewiesen, Beispiele zu geben: Sie avancieren zu unverzichtbaren Agenten der Herstellung und Sicherung von Evidenz. Zugleich haben sie den Übergang von der Theorie in die Praxis ästhetischen Urteilens zu vermitteln, sodass Beispiele als Medien sichtbar werden, die aus dem Text herausführen, Körper und Sinne in Bewegung setzen und dabei auf die Ausbildung des ästhetischen Subjekts als »Mensch von Geschmack« sowie dessen disziplinierende Einübung zielen. Die diskursanalytische Untersuchung erlaubt neue Einsichten in die Konstitution der modernen Ästhetik und die Kehrseiten ihres humanistischen Geschmacksideals, und fordert dabei auch immer wieder zu der Frage heraus, inwieweit sich der ästhetische Blick auf Oberflächen, Haut und Körper bis heute von der normativen Exklusivität des klassi(zisti)schen Schönheitsbegriffs entfernt hat.

Figures d'enfance

Représentations de l’enfant dans la littérature française des XVIIe et XVIIIe siècles

Sophia Mehrbrey, Universitätsverlag Winter, Heidelberg, 2022 (Studien zur europäischen Kinder- und Jugendliteratur/Studies in European Children's and Young Adult Literature, Band 11).
497 Seiten, 78,00 €, ISBN: 978-3-8253-4918-9

Avec son ouvrage L'enfant et la vie familiale sous l'Ancien Régime (1960), Philippe Ariès a découvert l'enfant comme objet de recherche interdisciplinaire. Cependant, une étude systématique sur le thème dans la littérature française des XVIIe et XVIIIe siècles n'a pas encore été entreprise. C'est pourtant à cette époque que le regard sur l'enfant change considérablement. La littérature des deux siècles joue un rôle décisif dans l'élaboration d'une nouvelle conception de l'enfance qui prépare et préfigure en bien des points le renouveau rousseauiste.

S'appuyant sur un appareil critique interdisciplinaire, qui invite à envisager l'enfant comme une construction de la réalité adulte dont les critères définitoires sont souples, l'autrice se propose d'étudier la représentation des personnages enfants dans un corpus de textes en prose. Il s'agit notamment d'analyser leur fonction dans l'économie du récit et leur implication dans les débats sociaux et philosophiques de l'époque.

Paritätsgesetze und repräsentative Demokratie

Neue Ansatzpunkte zur Frauenquote im Wahlrecht

Anna Gloßner, Nomos Verlag, Baden-Baden, 2022 (Gesetzgebung und Verfassung, Band 15)
350 Seiten, 98,00 €, ISBN: 978-3-8487-8851-4

Die Autorin untersucht die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von paritätischen Wahlgesetzen unter Einbeziehung rechtstatsächlicher und rechtsvergleichender Aspekte. Dabei befasst sie sich mit grundlegenden und bislang ungeklärten Problemen des Grundgesetzes, insbesondere mit der demokratischen Repräsentation, der Konkretisierung der Wahlrechtsgrundsätze sowie deren Verhältnis zu den Gleichheitsrechten und Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG. Die Verfasserin kommt dabei zu dem Ergebnis, dass paritätische Wahlgesetze verfassungswidrig sind, da die intensiven Beeinträchtigungen, im Besonderen der Gleichheit der Wahl, Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG, nicht gerechtfertigt werden. Paritätsregelungen könnten jedoch mit einer Grundgesetzänderung ermöglicht werden. Dem steht auch der unantastbare Kerngehalt des Demokratieprinzips, Art. 79 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG, nicht entgegen. Das Werk zeigt letztlich einen eigenen Lösungsweg auf, der nicht an das Wahlrecht anknüpft, sondern Soft Law und die politische Debatte in den Vordergrund rückt.

Diffraktionsereignisse der Gegenwart

Feministische Medienkunst trifft Neuen Materialismus

Alisa Kronberger, transcript Verlag, Bielefeld, 2022
346 Seiten, 49,00 €, ISBN: 978-3-8376-6131-6
(PDF in Open Access zugänglich, www.transcript-verlag.de/978-3-8376-6131-6/diffraktionsereignisse-der-gegenwart/)

Diffraktionsereignisse handeln im Kern von einem affektiv durchtränkten Zustande-Kommen eines komplexen, performativen Relationsmoments. Aus einer neo-materialistischen Perspektive spürt Alisa Kronberger dieses Phänomen in der feministischen Gegenwartskunst auf. Sie fragt erstmalig dezidiert nach der Aktualität der historischen Nähe zwischen Feminismus und Videokunst und bietet – an den Schnittstellen von Medien- und Kunstwissenschaft verortet – neue Einblicke in einen aktuellen Diskurs um einen Neuen Materialismus in der Medienkunst.

 

Zwischen Küche und Stadt

Zur Verräumlichung gegenwärtiger Essenspraktiken

Julia von Mende, 2022, 446 Seiten, 39,00 €, ISBN: 978-3-8376-5935-1

Kochen und Essen sind medial omnipräsent und es gibt kaum noch einen Ort, an dem nichts gegessen oder getrunken wird - dabei bleibt die Küche im Zuhause zunehmend kalt. Dieses Paradox wirft Fragen an die räumlichen Zusammenhänge gegenwärtiger Essenspraktiken auf, denen Julia von Mende auf den Grund geht. Ihre Befragungen und zeichnerische Analysen führen die Leser*innen von Berliner Küchen an Orte außer Haus und in die Vergangenheit. Dabei werden das Verhältnis von Privathaushalt und städtischem Umfeld thematisiert, Einblicke in die urbane Lebensrealität im beschleunigten (Ess-)Alltag eröffnet und gesellschaftliche Wirkmechanismen freigelegt.

Zionistinnen

Gegenwartsarbeit als frauenpolitisches Konzept in der zionistischen Bewegung in Deutschland

Tine Bovermann, Neofelis Verlag, 2022, 328 Seiten, 29,00 €, ISBN: 978-3-95808-347-9

Wie kann eine allgemeine Geschichte des Zionismus geschrieben werden, bei der Frauen im Zentrum der Betrachtung stehen? Ausgangspunkt der Studie ist ,Gegenwartsarbeit' als kulturelle und soziale Arbeit in der Diaspora. Diese sah bestimmte Rollen für Frauen vor und sicherte ihnen im zionistischen Entwurf der Nation eine tragende Funktion zu. Durch Gegenwartsarbeit waren Frauen aber nicht nur Teil der kulturzionistischen Strömung, sie nutzen sie auch zur Emanzipation. Zionistinnen entwickelten eine positive, spezifisch weibliche Identität, mit der sie ihre Interessen vertraten.

Die Studie zeigt, wie diese weibliche Identität im Zionismus über die Jahre immer wieder neu verhandelt wurde. Wesentlich war dabei ein nationales Selbstverständnis, das die Zionistinnen von der Gruppenidentität der Bewegung übernahmen. Sie identifizierten sich mit der Gemeinschaft aller Jüdinnen und Juden und handelten in ihrem Sinne. Die Gemeinschaft existierte für sie in ideeller und praktischer Form: Ideell war Zionismus eine kraft- und bedeutungsvolle Gemeinschaft politisch handlungsfähiger Personen, praktisch war Zionismus eine gemeinschaftsbildende Aktivität politisch Interessierter. In der Zusammenführung beider Ebenen lag die emanzipatorische Bedeutung der Gegenwartsarbeit für die Zionistinnen.

Tine Bovermann untersucht verschiedene Debatten zu frauenpolitischen Positionierungen innerhalb der zionistischen Bewegung in Deutschland zwischen 1900 und 1920 und macht sie durch die Einordnung in zeitgenössische Diskurse verständlich. Damit widerlegt ihr Buch die bisher angenommene ,Stummheit der Frauen' im deutschen Zionismus. Es zeigt auf, dass Frauen viel häufiger Stellung zu den allgemeinen, oftmals von Männern dominierten Themen der Bewegung bezogen haben als bisher angenommen. Die Studie erweitert die zionistische Geschichtsschreibung durch eine feministische Perspektive, indem sie Frauen als politisch handelnde Akteurinnen ernstnimmt - mit dem Wissen um die Reproduktion historischer Vorurteile, mit einem kritischen Blick auf Metanarrative und mit viel Empathie für den Gegenstand.

Ego domina – Herrschende Frauen im 11. und 12. Jahrhundert

Welfinnen und Königinnen Aragons zwischen Integration, Desintegration und dynastischer Identität

Laura Brander, Didymos-Verlag, 2022, 464 Seiten und 16 Tafeln mit 15 farbigen und 3 s/w Abbildungen, € 69,–, ISBN: 978-3-939020-34-9

Ego domina befasst sich mit den herrschenden Frauen der welfischen Fürsten und der aragonesi­schen Königsfamilie im 11. und 12. Jahrhundert. Eine Frau gehörte im Mittelalter zwei Familien an: ihrer Herkunfts- und ihrer Ankunftsfamilie. Ehefrauen konnten in ihren Ankunftsfamilien als Identitäts­stifterinnen wirken und das Selbstverständnis der Dynastie sowohl von außen als auch von innen und damit deren dynastische Identität beeinflussen. Das Buch zeigt, dass das Handeln einer Frau durch ihr Zugehörigkeitsgefühl zu ihren Familien be­stimmt wurde sowie dadurch, mit wel­cher Familie sie sich identifizierte, in welche Familie sie sich inte­grierte und in welche Familie ihre Identität einfloss.
Zentral sind hierfür Fragen nach den Rollen, die Fürstinnen und Königinnen in ihren Familien wahrnahmen, ebenso wie nach den Funktionen, die jene Frauen für die Familien erfüllten. Auch besteht Klärungsbedarf, inwieweit sich die untersuchten Fürstinnen und Königinnen in ihre jeweilige Ankunftsfamilie integrierten und welche Einflussmöglichkeiten sich für adlige Frauen ergaben. Das Buch zeigt, dass ihr Einfluss abhängig von der eigenen Integration und dem Integrationswillen war. Dy­nastische Identität war keine Konstante, sondern im stetigen Wandel begriffen und wurde durch die Personen definiert, die die zwei wesentlichen Komponenten des Familienbewusstseins, Abstammung und Herrschaftslegitimation, transportierten.

Auditives Erzählen.

Dem Leben Lauschen: Hörspielserien aus transnationaler und transmedialer Perspektive

Ina Schenker, transcript, 2022, 254 Seiten, 45€, ISBN: 978-3-8376-5860-6

Hörspielserien erzählen Geschichten und zugleich von ihren Produktions- und Rezeptionskontexten. Ina Schenker setzt mit einer transnationalen und transmedialen Perspektive exemplarische radio dramas aus Ozeanien und Subsahara-Afrika in Bezug zur deutschsprachigen auditiven Medienkultur. Philologische Rahmungen werden agil, was nicht nur dem inhaltlichen Bezug zu Diskursen rund um Leben und Wissen geschuldet ist, sondern auch den Ausdrucksformen der Hörspielserien selbst. Auditives Erzählen ist vielschichtig: es regt an und auf, gibt Motivation und unterhält, weckt Emotionen und Geschichten – ist politisch und partizipativ.

Die Colonia Dignidad zwischen Erinnern und Vergessen

Zur Erinnerungskultur in der ehemaligen Siedlungsgemeinschaft

Meike Dreckmann-Nielen, transcript Verlag, 2022, 338 Seiten, 29,00 €, 978-3-8376-6213-9

Die Colonia Dignidad erlangte wegen zahlreicher bis heute unaufgeklärter Menschenrechtsverbrechen internationale Bekanntheit. Dass einstige Mitglieder der deutschen Gruppe das historische Siedlungsgelände in Chile unter dem Namen »Villa Baviera« (deutsch: bayerisches Dorf) schrittweise zu einem touristischen Freizeitort umfunktioniert haben, sorgt angesichts der mangelnden Aufarbeitung für anhaltende Kritik. Meike Dreckmann-Nielen untersucht, wie sich einstige Mitglieder der Gruppe heute an ihre eigene Vergangenheit erinnern. In ihrer Studie ermöglicht sie einen intimen Einblick in komplexe erinnerungskulturelle Dynamiken im Mikrokosmos der ehemaligen Siedlungsgemeinschaft.

Die Geburt der Dichtung im Herzen

Untersuchungen zu Autorschaft, Personifikation und Geschlecht im Minnesang, im 'Parzival', in 'Der Welt Lohn' und im 'Roman de Silence

Julia Rüthemann, Erich-Schmidt-Verlag, 2022, 490 Seiten, 99.95 EUR, ISBN: 978-3-503-19589-3

Frau Aventiure klopft an das Herz des Erzählers des "Parzival", Frau Welt veranlasst den Ritter Wirnt von Gravenberg in "Der Welt Lohn" durch eine Erkenntnis im Herzen zur Abkehr vom weltlichen Leben, die Minne(dame) drängt ins Herz des Minnesängers, der so zum Sang befähigt wird: das Muster einer Inspiration männlicher Dichter bzw. Protagonisten durch weibliche Personifikationen ist in der mittelalterlichen Literatur weit verbreitet.Die vorliegende Studie widmet sich den dieser Topik zugrunde liegenden, christlich geprägten Konzeptionen von Autorschaft und darin wirksamen mütterlichen Poetiken. Sie zeigt, dass in der Inszenierung literarischer Kreationsprozesse gerade auch durch männliche Autoren Vorstellungen von Schwangerschaft und Geburt 'fruchtbar' gemacht werden, die bereits in theologischen Denkfiguren, insbesondere der sogenannten Herzgeburt, angelegt sind. Die in Herz und Personifikation vermittelten re-produktiven Logiken prägen nicht nur die Poetiken, sondern auch das Erzählen. Der zweite Teil der Studie setzt sich daher mit dem narratologischen Status und den Gendercodierungen semi-personifikatorischer Figuren und teilallegorischer Räume auseinander.

Männer im Schwangerschaftskonflikt

Erfahrungen nach einem beunruhigenden pränatalen Befund

Anika Wehling, [Transcript] + Medical Humanities, 2021, 328 Seiten, 45,00 €, ISBN: 978-3-8376-6003-6

Die Kenntnis über eine Behinderung des Ungeborenen wird von betroffenen Eltern oft als schockierend erlebt. Neben der Schwangeren sind auch werdende Väter von einem Befund emotional betroffen. Entsprechende Aufmerksamkeit wird Männern in dieser Situation aber kaum zuteil. »Kann und möchte ich Vater eines behinderten Kindes sein? Welche Entscheidung wird meine Partnerin treffen? Was heißt es für uns als Paar, mit einem behinderten Kind zu leben?« – Im Spannungsverhältnis zwischen der eigenen Belastung und einer erlebten Verantwortung berichten Männer von ihren Erfahrungen, Konflikten und deren Bewältigung.

Im Zeichen der Erfahrung

Der Skulpturbegriff von Anne Truitt

Vivien Trommer, Logos Verlag Berlin, 2021, 273 Seiten, 59,00 €, ISBN 978-3-8325-5248-0

 

Das Œuvre der US-amerikanischen Künstlerin Anne Truitt (1921-2004) wird seit den frühen 1960er Jahren von der Forschung rezipiert. Zugleich ist ihr idiosynkratischer Skulpturbegriff diesseits hegemonialer Lesarten der Minimal Art und des Color Field Painting bis heute glq randständiggrq geblieben. Die werkmonographische Studie von Vivien Trommer widmet sich gattungs- und wahrnehmungstheoretischen Fragestellungen und untersucht Anne Truitts künstlerische Neuerungen im Kontext der Geschichte der Skulptur des 20. Jahrhunderts. Gefragt wird nach den Bezügen ihrer Werke zum Paragonestreit, zur Sockelfrage, zur Immanenzebene der Oberfläche und zu ihren künstlerischen Ausstellungsinszenierungen im modernen Galerieraum. Dabei zeigt sich, dass Anne Truitts Skulpturen - mit ihren Entgrenzungstendenzen und Reflexionsmomenten - ganz im Zeichen einer betrachterorientierten Erfahrungsästhetik stehen.

Künstliche Intelligenz im politischen Diskurs

Christina Willems,Tectum, 2021, 138 Seiten, 32,00 €, ISBN 978-3-8288-4684-5

Als Schlüsseltechnologie der digitalen Transformation ist die Künstliche Intelligenz Teil unseres Alltags geworden. Die KI-bedingten Auswirkungen auf die Lebens- und Arbeitswelt haben eine hohe gesellschaftliche Relevanz und müssen daher auf politischer Ebene behandelt werden. Diese Forschungsarbeit unterzieht den Diskurs um die KI im Deutschen Bundestag – als zentraler Ort der Auseinandersetzung im demokratischen System – von der ersten Nennung des Begriffs im Jahr 1984 bis zur Einsetzung der Enquete-Kommission im Juni 2018 einer Kritischen Diskursanalyse. Das Jahr 2016 stellt sich dabei als Wendepunkt im parlamentarischen Diskurs heraus, der den politischen Umgang mit den immensen Potenzialen und Risiken dieser Technologie verhandelt.

Die Illusion der Leistungsgerechtigkeit

Arbeit und Entgelt von Sekretärinnen

Jule Elena Westerheide, Campus Verlag, 2021, 413 Seiten, 39,95 €, ISBN: 978-3593514871

Jede erfolgreiche Führungskraft verfügt über ein leistungsstarkes »Vorzimmer«. Sekretärinnen an der Hochschule bilden etwa einen Berufsstand, mit dem Wissenschaftler_innen täglich kooperieren, ohne dass dieser je ernsthaft zum Gegenstand ihrer Forschung geworden wäre. Während Sekretariatsarbeit im öffentlichen Dienst durch technische und organisatorische Veränderungen zunehmend anspruchsvoller wird, bleibt die für frauentypische Assistenztätigkeiten übliche niedrige tarifliche Eingruppierung erhalten. Die Studie untersucht die daraus resultierende, individualisierte Form des Arbeitskonflikts um Entgelt. Organisationale Arbeitsplatzbewertungen werden zum Austragungsort der Lohnfindung, in denen Vorstelllungen von Leistung und Gerechtigkeit aufeinandertreffen und unter Bezugnahme auf das Leistungsprinzip ausgehandelt werden.

"Hallo, wer spricht? Hallo, wer spricht!"

Über die Poetik der Selbstoptimierung in deutschsprachiger Gegenwartsliteratur

Johanna Tönsing, Aisthesis Verlag, 2021, Moderne-Studien Band 27, 342 Seiten, 39,00 €, ISBN: 978-3-8498-1767-1

Die in der soziologischen Fachliteratur überwiegende These von der neoliberalen Determinierung zeitgenössischer Subjekte deckt sich größtenteils mit der Darstellung der Subjektivierungsweise in der Literatur, aber eben nicht ausschließlich. Denn literarische Texte zeigen Facetten der Subjektivierungsfigur, die so kaum oder nicht in außerliterarischen Wissensbereichen aufzufinden sind. Und einige Texte ordnen ›Selbstoptimierung‹ mitunter auch in Abgrenzung zu den so populären Gouvernementalitätsstudien ein. Damit eröffnet sich folgendes Forschungsdesiderat: während andere Wissensbereiche das Aufkommen der Subjektivierungsfigur bereits analysiert haben, fehlt eine Untersuchung darüber, welches Wissen die Literatur über »Selbstoptimierung« gespeichert hat.

Statt Farbe: Licht

Sandra Neugärtner, Gebr. Mann Verlag, 2021,288 Seiten, ISBN: 978-3-7861-2863-2

László MoholyNagy (1895–1946) erkannte und aktivierte erstmals das pädagogische Potenzial des Fotogramms. Vorgelegt wird die erste Untersuchung seiner FotogrammPädagogik und ihrer kunsthistorischen Bedeutung. Als Ergebnis seiner Bemühungen, Malerei als eine Kunst zu verstehen, die nicht aus Pigmenten, sondern aus Licht besteht, entwickelte MoholyNagy das Fotogramm zu einer neuen Hauptform der AvantgardePraxis. Beim Übergang der optischen Künste zu den optischen Medien nimmt das Fotogramm eine Sonderstellung ein: Es kontrastiert als rein indexikalisches Medium alle kamerabasierte Fotografie, die einen mimetischen Effekt forciert und den Übergang in die Sprache vollzieht.

Annemarie Tröger Kampf um feministische Geschichten

Texte und Kontexte 1970-1990

Herausgegeben von Regine Othmer, Dagmar Reese, Carola Sachse, Wallstein-Verlag, 432 S., 24 Abb.
39,00 €, ISBN 978-3-8353-3788-6

Annemarie Tröger gehörte in den 1970er Jahren zu den Begründerinnen der Frauenforschung im deutschsprachigen Raum. Mit ihrer feministischen Radikalität, die ein anti-disziplinäres Erkenntnisinteresse antrieb, war sie für viele Studentinnen und Kolleginnen wegweisend. Die Pionierin der Methode der Oral History wollte die Erfahrungen marginalisierter sozialer Gruppen in die Geschichte einschreiben und sie zugleich für eine Analyse gegenwärtiger Zustände nutzen und im Kampf gegen anhaltende Herrschaftsverhältnisse mobilisieren. Die Disziplinierung der Frauenforschung seit den 1980er Jahren verdrängte Intellektuelle wie Tröger und führte dazu, dass wichtige Impulse der frühen Frauenforschung heute in Vergessenheit geraten sind.
In diesem Band werden ausgewählte Schriften Annemarie Trögers neu zugänglich gemacht und in Kommentaren ehemaliger Weggefährtinnen und Weggefährten als historische Quellen behandelt, die ein Stück bundesrepublikanischer, vor allem Westberliner Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte, wieder freilegen.

Annemarie Tröger (1939-2013) gehörte zur Gruppe der Initiatorinnen der ersten Berliner Sommeruniversitäten von 1976 und 1977, die ein Startschuss waren für die Entwicklung der bundesdeutschen Frauenforschung. Sie setzte sich früh mit dem Thema »Frauen und Nationalsozialismus« auseinander und war zugleich eine Pionierin der Oral History.

Kino, Kunst, Feminismen

Kuratorische Strategien seit 1970

Elena Baumeister, Büchner-Verlag, 2020, 126 Seiten, 22,00 € , ISBN: 978-3-96317-224-3

Was bedeutet es, feministisch zu kuratieren? Sind Feminismen Inhalt oder Methode? An welchen Orten und in welcher Weise ist der feministische Diskurs in die Ausstellungspraxis sowie in die Filmkultur eingegangen bzw. aus ihr hervorgegangen? Im Spannungsfeld dieser Fragen skizziert Elena Baumeister anhand von Archivmaterial und einer Reihe von Gesprächen mit Kuratorinnen, wie sich feministische Strategien des Kuratierens von Kunstausstellungen und Filmprogrammen im deutschsprachigen Raum seit ihren Anfängen in den 1970er Jahren bis heute entfaltet haben. Sie spürt deren kritischen, subversiven und gestalterischen Potenzialen nach und leistet einen Beitrag, die Lücke in der Theoretisierung feministisch-kuratorischer Praxis zu füllen.

From Post-Yugoslavia to the Female Continent

A Feminist Reading of Post-Yugoslav Literature

Tijana Matijevic, transcript Verlag, 280 Seiten, 70,00 €, ISBN: 978-3-8376-5209-3

This study of contemporary literature from the former Yugoslavia (Post-Yugoslavia) follows the ways in which the feminist writing of gender, body, sexuality, and social and cultural hierarchies brings to light the past of socialist Yugoslavia, its cultural and literary itineraries and its dissolution in the Yugoslav wars. The analysis also focuses on the particularities of different feminist writings, together with their picturing of possible futures. The title of the book suggests an attempt to interpret post-Yugoslav literature as feminist writing, but also a process of conceptualizing a post-Yugoslav literary field, in this study represented by contemporary fiction from Bosnia and Herzegovina, Croatia, and Serbia.

Was bleibt? Zur Inszenierung von Gedächtnis und Identität im postsowjetischen Kuba und Rumänien

Carola Heinrich, Olms, Georg (Verlag), 2020, 210 Seiten, 42,00 €, ISBN: 978-3-487-15847-1

Die Publikation beschäftigt sich aus postkolonialer Perspektive mit den Nachwirkungen der sowjetischen Dominanz auf zwei zuvor stark unter sowjetischem Einfluss stehende Kulturen: Kuba und Rumänien. Untersucht wird die Reaktion auf den Wegfall der Hegemonialmacht Sowjetunion anhand ihrer Inszenierung in Theater, Performance, Film, Video und Hörspiel seit 1989. Die vergleichende Recherche analysiert die Machtstrukturen in performativen Werken ausgehend von Theorien der Translation, die den Wandel der Rolle, der Darstellung und der Attribuierung des kulturellen Fremdbildes ‚des Russen/der Russin‘ nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion beleuchten. Die Analyse der Translationsprozesse erfolgt auf zwei Ebenen: zeitlich durch die Konstruktion eines kulturellen Gedächtnisses, und räumlich durch Identifikation über Hybridisierung. Der Fokus liegt auf der Frage, wie es den Inszenierungen gelingt zur Konstruktion, Reflexion und Transformation kultureller Wahrnehmungsmuster beizutragen. Die Lösungen reichen dabei von einer Inversion der Machtverhältnisse durch subversiven Humor, über eine nostalgische Sehnsucht bis zu einer Resolidarisierung durch Migration.

Vorbild, Inspiration oder Abgrenzung?

Die Amerikarezeption in der deutschen Frauenbewegung im 19. Jahrhundert

Magdalena Gehring, Campus (Verlag) 2020, 456 Seiten, 49,00 €, ISBN:   978-3-593-51104-7

Bereits im 19. Jahrhundert pflegten die Frauenbewegungen in Europa und den USA sowohl persönliche als auch institutionalisierte Kontakte und initiierten regelmäßig Kongresse. Magdalena Gehring zeichnet die Entstehung dieser international agierenden Frauenbewegung und die Partizipation deutscher Akteurinnen daran nach. Daneben untersucht sie, welchen programmatischen Einfluss die kontinuierliche Rezeption der US-amerikanischen Frauenbewegung auf die deutsche Frauenbewegung, insbesondere auf den Allgemeinen Deutschen Frauenverein, ausübte. Im Fokus stehen dabei Fragen nach der Funktion, dem Ablauf und der Zielsetzung dieser Rezeptions- und Transferprozesse.

Junge Geflüchtete an der Grenze

Eine Ethnografie zu Altersaushandlungen

Laura K. Otto, Campus, 2020, 423 Seiten, 39,95 €, ISBN 9783593513072

Immer mehr junge Menschen fliehen nach Europa. Nach ihrer Ankunft findet in der Regel ein Altersfeststellungsverfahren statt. Die Mitgliedstaaten der EU versuchen in den Asylverfahren das Alter der Ankommenden eindeutig zu bestimmen, denn an die Minder- und Volljährigkeit sind Aufnahmebedingungen geknüpft. Entlang von Migrationsbewegungen junger Geflüchteter aus Somalia zeigt die Autorin, wie die Kategorie des »unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlings« auf Malta hervorgebracht und verwendet wird. Zentral sind Altersaushandlungen zwischen den Geflüchteten und institutionellen Akteurinnen und Akteuren. Diese Ethnografie veranschaulicht, wie vielfältig die jungen Menschen die Einteilung als Minderjährige erleben.

Laura K. Otto, Dr. phil., ist Postdoc am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Universität Frankfurt am Main.

Umkämpftes Recht zu bleiben

Zugehörigkeit, Mobilität und Kontrolle im EUropäischen Abschieberegime

Sarah Nimführ, Westfälisches Dampfboot (Verlag) 2020, 375 Seiten, 38,00 €, ISBN: 978-3-89691-052-3

Die Mehrheit abgelehnter Asylsuchender in Malta, der EU-Außengrenze, ist nicht abschiebbar. Viele befinden sich in einer rechtlichen Grauzone, da ihnen ein formaler Aufenthaltsstatus meist verwehrt bleibt. In dieser Situation haben sie über mehrere Jahre hinweg nur begrenzten Zugang zu Beschäftigung, grundlegenden Dienstleistungen und medizinischer Versorgung. In einer ethnografischen Untersuchung an der EU-Außengrenze Malta analysiert Sarah Nimführ Aushandlungsprozesse zwischen nicht abschiebbaren Geflüchteten, ihren Unterstützer*innen und staatlichen Akteur*innen. Sie zeigt, wie sich das Leben von Menschen mit einem nicht durchgeführten Ausweisungsbescheid gestaltet und welche Praktiken der Alltagsorganisation sie anwenden.

Gemalte Kunstgeschichte

Bildgenealogien in der Malerei um 1800

Léa Kuhn, Verlag Wilhelmm Fink, 333 Seiten, 69,00 €, ISBN: 978-3-7705-6453-8

Kunstgeschichte wird nicht nur geschrieben, sie wird auch gemalt. Dass auch innerhalb der Malerei vermehrt kunsthistorische Ordnungsmodelle entwickelt werden, sobald sich die Kunstgeschichte als akademische Disziplin zu etablieren beginnt, zeigt diese Studie.
Mit Blick auf die Zeit um 1800 rekonstruiert die Autorin das feine Bezugsgeflecht zwischen entstehendem Kunstgeschichts-diskurs und zeitgenössischer künstlerischer Praxis an so unterschiedlichen Orten wie Zürich, Paris, London und New York. Dabei wird deutlich: Die hier analysierten Werke von Marie-Gabrielle Capet, William Dunlap und Johann Heinrich Wilhelm Tischbein illustrieren nicht bereits vorhandene kunst-historische Narrative, sondern bringen selbst Vorschläge zu ihrer adäquaten Einordnung hervor - und weisen andere zurück. Geschichtsschreibung ist folglich nicht der einzige epistemologische Zugang zu (Kunst-)Geschichte und nicht die einzige Möglichkeit zu deren aktiver Gestaltung: In der Malerei selbst gibt es ein analoges Phänomen, das hier für die Zeit um 1800 erstmals umfassend nachgezeichnet wird.

Umkämpftes Recht zu bleiben

Über die Möglichkeit einer kritischen Theorie der Gerechtigkeit

Esther Neuhann, Velbrück Wissenschaft, 2020, 400 Seiten, 34,90 €, ISBN 9783958322288

Im Vordergrund steht die Frage, ob die »Gerechtigkeit« ein geeigneter Grundbegriff für eine kritische Theorie der Gesellschaft ist.
Die Autorin analysiert das im Kontext der Kritischen Theorie infrage stehende Konzept und bestimmt sein Verhältnis zu individuellen Rechten und positivem Recht. Davon ausgehend systematisiert sie unterschiedliche Spielarten der Skepsis an der emanzipatorischen Kraft des Gerechtigkeitsbegriffs und betont dabei die Kritik, dass eine libertäre Gerechtigkeitskonzeption Ausbeutungseffekte, eine egalitäre hingegen Normalisierungseffekte habe.
Die prozedurale Gerechtigkeitskonzeption Rainer Forsts wird darauf untersucht, ob diese die Beherrschungseffekte vermeiden kann. Dafür wird eine vollständige Rekonstruktion seiner Theorie vorgelegt. An zwei entscheidenden Stellen wird sie ergänzt und modifiziert: erstens hinsichtlich der Begründung des »Rechts auf Rechtfertigung«, die die Autorin mit Hilfe von Fichtes Anerkennungsbegriff umdeutet, und zweitens, indem das Verhältnis von Forsts Gerechtigkeitskonzeption zum modernen Recht erörtert wird.
Die Hauptthese des Buches legt dar, dass diese kritisch-prozedurale Gerechtigkeitskonzeption die Beherrschungseffekte der Ausbeutung und Normalisierung vermeidet, aber das Potential für einen neuen zweistufigen Beherrschungseffekt ausbildet: »Beschleunigung«, verstanden als stetige Verringerung der Geltungsdauer sozialer Institutionen, insbesondere rechtlicher Normen, und damit einhergehend die Subjektivierungsform der »Flexibilisierung«.
Eine Reflexion der kritisch-prozeduralen Gerechtigkeitskonzeption auf diesen in ihr angelegten Beherrschungseffekt wirft die Frage nach dem gewünschten Modus der Entwicklung des Rechts (als Realisierungsform der Gerechtigkeit) in der Zeit auf. Die Ausgangsfrage nach der Möglichkeit einer kritischen Theorie der Gerechtigkeit entscheidet sich also mit Blick auf die Zeitstrukturen des Rechts.

Gerichtssaalberichterstattung

Ein zeitgemäßer Rahmen für die Arbeit der Medienvertreter in deutschen Gerichten

Anna K. Bernzen, Mohr Siebeck (Verlag), 2020, 442 Seiten, 89,00 €, ISBN: 9783161592560

Der Öffentlichkeitsgrundsatz erlaubt nicht nur "gewöhnlichen" Bürgern, sondern auch Medienvertretern, den Verhandlungen deutscher Gerichte beizuwohnen. Der Medienberichterstattung aus dem Gerichtssaal werden durch das Gesetz und die Gerichte allerdings enge Grenzen gesetzt, die seit den 1960er Jahren weitgehend unverändert sind. Seitdem haben sich die Medienbranche und der Medienkonsum jedoch grundlegend gewandelt. Anna K. Bernzen widmet sich daher der Frage, ob und inwiefern der aktuelle Rechtsrahmen für Medienberichte aus dem Gerichtssaal noch zeitgemäß ist. Sie analysiert die schutzwürdigen Interessen, die bei der Berichterstattung kollidieren, und unternimmt eine vergleichende Betrachtung der englischen Rechtslage. Sie kommt zu dem Schluss, dass Reformbedarf besteht. Deshalb entwickelt die Autorin einen Gesetzesvorschlag, der eine zeitgemäße Berichterstattung ermöglichen soll. Der Öffentlichkeitsgrundsatz erlaubt nicht nur "gewöhnlichen" Bürgern, sondern auch Medienvertretern, den Verhandlungen deutscher Gerichte beizuwohnen. Der Medienberichterstattung aus dem Gerichtssaal werden durch das Gesetz und die Gerichte allerdings enge Grenzen gesetzt, die seit den 1960er Jahren weitgehend unverändert sind. Seitdem haben sich die Medienbranche und der Medienkonsum jedoch grundlegend gewandelt. Anna K. Bernzen widmet sich daher der Frage, ob und inwiefern der aktuelle Rechtsrahmen für Medienberichte aus dem Gerichtssaal noch zeitgemäß ist. Sie analysiert die schutzwürdigen Interessen, die bei der Berichterstattung kollidieren, und unternimmt eine vergleichende Betrachtung der englischen Rechtslage. Sie kommt zu dem Schluss, dass Reformbedarf besteht. Deshalb entwickelt die Autorin einen Gesetzesvorschlag, der eine zeitgemäße Berichterstattung ermöglichen soll.

Anna Pappritz

Indisches Tagebuch. Eine Frauenrechtlerin reist nach Ceylon, Indien und Kairo.

Bianca Walther (Hg.), Röhrig Universitätsverlag, 2020, 29,00 €, ISBN: 978-3-86110-750-7

Im Winter 1912/13 reiste die Berliner Frauenrechtlerin Anna Pappritz durch Indien. Diese Reise hatte der Forschung lange Rätsel aufgegeben - bis 2019 ihr verschollen geglaubtes Reisetagebuch auftauchte. Darin begegnet uns eine bildungsbürgerliche Touristin, die Landschaften und neue Eindrücke genießt, ihr Faible für Elefanten entdeckt, aber auch zweimal an Dengue-Fieber erkrankt, oft überfordert ist und zuweilen Einstellungen an den Tag legt, die uns zutiefst befremden. Das Reisetagebuch der Anna Pappritz verdeutlicht, dass die Geschichte weißer, fernreisender Frauen nicht nur eine Geschichte von Befreiung, sondern auch ein Stück Kolonialismusgeschichte ist. Diese Herausforderung gilt es, anzunehmen. Zusammen mit einer biografischen und inhaltlichen Einführung wird das Tagebuch nun erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.

Dramaturgie als Eingedenken

Heiner Müllers Antike zwischen Geschichtsphilosophie und Kulturkritik

Elena Stramaglia, Universitätsverlag WINTER Heidelber, 2020, 229 Seiten., 42,00 €, ISBN: 978-3-8253-4716-1

Heiner Müllers Antikedramen reflektieren nicht nur einen kritischen Umgang mit Aspekten der westlichen Literaturtradition, sondern einen umfassenderen Denkkomplex um Geschichte, Mythos und Kultur. Bei der Gestaltung dieses Horizonts spielt der philosophische Dialog mit Walter Benjamin, Max Horkheimer und Theodor W. Adorno eine entscheidende Rolle. Die Monographie untersucht, wie diese intertextuelle Reflexion sich mit der Praxis der Antikerezeption verbindet und wie sie in den Dramen in literarisch vielfältiger Methodik dargestellt und problematisiert wird. Neben den theoretischen Prämissen des Dialogs werden dessen Wirkungen in drei Stücken in Augenschein genommen: Philoktet, Ödipus Tyrann und Verkommenes Ufer Medeamaterial Landschaft mit Argonauten. Anhand der Texte werden die politisch-geschichtliche Tragweite von Müllers Arbeit an Mythos und Tragödie, deren geschichtsphilosophische Prägung sowie ihre kulturkritische Funktion analysiert.

Io donna mi sono posta a scrivere...

Begründungsfiguren weiblicher Autorschaft in Prosatexten des Cinquecento

Katharina Hattenbach, Schnell & Steiner GmbH, 2021, 256 Seiten, 40,00 €, ISBN: 379543630

Im 16. Jahrhundert kam es in Italien, vor allem in Venedig, zum ersten Mal zu einer ganzen Welle an Publikationen von Texten, die von Autorinnen geschrieben wurden. Die vorliegende Monografie geht der Frage nach, wie die Autorinnen ihr Schreiben und ihren Schritt an die Öffentlichkeit begründeten.

Obgleich es zahlreiche Hindernisse wie den Mangel an Traditionen weiblicher Autorschaft oder gesellschaftliche Restriktionen gab, veröffentlichten im italienischen Cinquecento zahlreiche Autorinnen eigene Texte mit großem Erfolg. Dies war ein Novum in der italienischen Literaturgeschichte, auch weil die Autorinnen vor allem im Bereich der Prosa sehr innovativ wurden und bestehende Gattungen modifizierten bzw. neue Gattungen entwickelten. Diese Entwicklung wirft die Frage auf, wie die Autorinnen ihre Arbeit begründet und welche Strategien sie verwendet haben, um sich selbst in der Rolle der Autorin zu behaupten. Mit anderen Worten: Wie haben die Autorinnen ihr Schreiben autorisiert? Dieser Fragestellung geht die Autorin in unterschiedlichen Texten und Gattungen, wie einer Briefsammlung, einem Roman oder einem wissenschaftlichen Traktat nach.

Kino in Kolumbien

Der innerkolumbianische Konflikt im Film zwischen Gewaltdiskurs und (trans-)nationaler Identität

Anne Burkhardt, transcript Verlag, 2019, 422 Seiten, 49,99 €, ISBN: 978-3-8376-4673-3

Der landesinterne Konflikt in Kolumbien und die damit einhergehende Gewalt sind seit deren Ausbruch in den 1940er Jahren zentraler Gegenstand des kolumbianischen Kinos. Unter dem Einfluss sich wandelnder Gewaltdiskurse und Produktionsbedingungen entwerfen die kolumbianischen Filmemacher_innen vielschichtige Porträts der kolumbianischen Gesellschaft und liefern neue Ansätze zur Reflexion und Bewertung der Gewalt in Kolumbien. Anne Burkhardts diskursanalytisch fundierte Untersuchung von 17 ausgewählten Filmen, darunter einige Klassiker des kolumbianischen Kinos, wird ergänzt um die erste umfassende Darstellung der kolumbianischen Filmgeschichte in deutscher Sprache.

Künstlerinnen und Migration

Olga von Boznanska und Otolia Gräfin Kraszewska im München des Fin de Siècle

Marta Koscielniak, Böhlau Verlag, 2019, 360 Seiten, 55,- €, ISBN 978-3-412-51398-6

Olga von Boznańska (1865–1940) und Otolia Gräfin Kraszewska (1859–1945) gehören der ersten Generation von Künstlerinnen an, die professionell tätig waren und damit auch teilweise ihren Lebensunterhalt selbst bestritten. Die beiden Polinnen begegneten sich während der 1880/90er Jahre in München und bauten von dort aus je eine eigenständige internationale Karriere auf.

Marta Koscielniak erforscht die Netzwerkstrukturen und Traditionslinien innerhalb ihres Umfelds. Sie erschließt die Handlungsoptionen in Ausrichtung auf den deutschen wie den polnischen Rezeptionsraum. Im Vordergrund stehen dabei die Bilder und Identitätspolitiken sowie die Migration von Künstlerinnen in ihren zeitspezifischen Ausprägungen.

 

Polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit in sozialen Netzwerken

Mascha Carina Bilsdorfer, Nomos, 2019, 509 Seiten, 129,00 €, ISBN: 978-3-8487-6335-1

Die polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit in den sozialen Netzwerken ist derzeit ein allgegenwärtiges Thema. Auch wenn polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit bereits seit Jahrzehnten betrieben wird, hat sie durch die Übertragung auf ein neues Medium in Form der sozialen Netzwerke neuen Aufschwung erfahren. Hiermit verbunden sind dabei sowohl datenschutzrechtliche, verfassungsrechtliche als auch verwaltungsrechtliche Problemfelder, die vorliegend vertieft wissenschaftlich analysiert werden. Das Werk stellt insbesondere eindeutige rechtliche Vorgaben auf, die bei der Kommunikation über die sozialen Netzwerke eingehalten werden müssen. Denn mit der Übertragung der polizeilichen Öffentlichkeitsarbeit auf die sozialen Netzwerke ist keineswegs eine Aufgabe der bisher geltenden rechtlichen Maßstäbe verbunden, auch wenn der eher locker gehaltene Kommunikationsstil und die Erwartungshaltung der Social Media User dazu verleitet, die über Jahre hinweg entwickelten rechtlichen Maßgaben zu vernachlässigen.

Adoleszenz, Geschlecht, Identität

Queere Konstruktionen in Romanen nach der Jahrtausendwende

Nadine Maria Seidel, Peter Lang Verlag, 2019, 252 Seiten, 49,95 €, ISBN 978-3-631-77351-2

Das Buch behandelt unterschiedliche literarische Inszenierungen von Geschlechterkonstruktionen. Dabei werden exemplarische Figurentypen auf ihr subversives Potential bezüglich Heteronormativität befragt. Es erweist sich, dass allen Texten implizite und explizite Aussagen über Geschlecht inhärent sind, die sich widersprechen. Die Autorin zeigt auf, wie diese Aussagen durch unterschiedliche Methoden extrahiert werden können.

Das Imaginäre und die Revolution

Tunesien in revolutionären Zeiten

Nabila Abbas, Campus Verlag, 2019, 486 Seiten, 35,99 €, ISBN: 978-3-593-51153-5

Im Jahr 2011 bricht die tunesische Revolution aus. Bürgerinnen und Bürger besetzen im ganzen Land öffentliche Plätze, fordern politische Freiheits- und Gleichheitsrechte und soziale Gerechtigkeit. In dieser Studie kommen die Akteurinnen und Akteure der Revolution zu Wort. So werden ihre Motive und ihre politischen Vorstellungen sichtbar. Das Buch gibt Aufschluss über die ideellen Wurzeln der Revolution und fragt nach den Entstehungsbedingungen politischer Praxis und Vorstellungskraft in Kontexten von Protesten.

Das Gesetz der Szene

Genderkritik, Performance Art und zweite Öffentlichkeit in der späten DDR

Angelika Richter, transcript Verlag, 2019, 39,99 €, 408 Seiten, ISBN: 978-3837645729

Eine Folge der Wiedervereinigung Deutschlands war die verstärkte Marginalisierung von Künstlerinnen aus der DDR, die als Teil einer 'genderlosen' Geschichtsschreibung zu begreifen ist. Angelika Richter fragt nach den Gründen für diesen doppelten Ausschluss, die bis in die Anfangsjahre der DDR zurückgehen. Dabei führt sie auch einer nicht im Sozialismus sozialisierten Leserschaft vor Augen, welche Effekte staatliche Emanzipationsprogramme hatten. Ihre Studie erkundet die genderspezifischen Strukturen der 'zweiten Öffentlichkeit' und unterstreicht den Stellenwert prozessbasierter Kunst für die Herausbildung dieser Sphäre. Darüber hinaus zeichnet sie nach, wie Performances tradierte Vorstellungen von Geschlecht thematisiert und kritisiert haben.

Ein Land für Frauen

Ethnographie der italienischen Frauenbewegung " Se Non Ora Quando?"

Marion Näser-Lather, 398 Seiten, Waxmann (Verlag), 2019, 44,90 €, 978-3-8309-4031-9 (ISBN)

Die gesellschaftliche Benachteiligung von Frauen und das sexistische Frauenbild in den Medien war 2011 in Italien Anlass zur Gründung der feministen Bewegung Se Non Ora Quando? (wenn nicht jetzt, wann dann?). Diese Ethnographie untersucht Strukturbildungsprozesse, politische Visionen, Kommunikationsformen und Protestpraktiken der Bewegung. Die Autorin beleuchtet die Frage politischen Engagements auf der Basis der Kategorie Geschlecht und zeigt unter anderem am Beispiel des Umgangs mit digitalen Medien, dass die Möglichkeitsräume aktivistischen Denkens und Handelns in hohem Maße von Überzeugungen und Interaktionstraditionen beeinflusst werden können, die sich auch entgegen der Intentionen der Aktivistinnen in deren Diskurse und Praktiken einschreiben. Als fruchtbar für die Analyse der zugrundeliegenden Dynamiken erweist sich das in der Europäischen Ethnologie bislang noch nicht bekannte Konzept der sozialen Automatismen.

 

Erinnern, vergessen, umdeuten?

Europäische Frauenbewegungen im 19. Und 20. Jahrhundert

Angelika Schaser, Sylvia Schraut, Petra Steymans-Kurz (Hg.), Campus Verlag, 2019, 406 Seiten, 43,00 €, ISBN: 9783593510330

Die erste Frauenbewegung leitete am Ende des 19. und im frühen 20. Jahrhundert erste wichtige Schritte zur Emanzipation und Gleichberechtigung in Europa ein. Ihre Ziele, Aktionen und Errungenschaften blieben allerdings nicht in der kulturellen Erinnerung verankert. Denn als sich die zweite Frauenbewegung in den 1970er Jahren auf den politischen Bühnen Gehör verschaffte, verstand sie sich weitgehend als neue Bewegung ohne Vorläufer. Die Beiträge dieses Bandes untersuchen die Bilder der eigenen Geschichte, die die europäischen Frauenbewegungen entwickelten oder vernachlässigten, und die Traditionsverluste, die durch die Diktaturen des 20. Jahrhunderts verursacht wurden.

Erna Scheffler (1893-1983)

Erste Richterin am Bundesverfassungsgericht und Wegbereiterin einer geschlechtergerechten Gesellschaft

Marike Hansen, Mohr Siebeck (Verlag), 2019, 209 Seiten, 64,00 €, ISBN: 978-3-16-157602-7

Erna Scheffler war nicht nur eine Ausnahmejuristin, die von 1951 bis 1963 als erste Richterin am Bundesverfassungsgericht an maßgeblicher Stelle die Rechtsentwicklung der jungen Bundesrepublik mitgestaltete, sondern auch eine der einflussreichsten Kämpferinnen für die Gleichberechtigung von Frauen im 20. Jahrhundert. In ihrer Monographie zeichnet Marike Hansen den eindrucksvollen Lebensweg dieser - bis heute auch unter Juristen wenig bekannten - Persönlichkeit im Kontext der Entwicklung der Frauenrechte in Deutschland nach. Sie zeigt, dass nicht zuletzt die zahlreichen Beschränkungen und Diskriminierungen, denen sich Erna Scheffler im Laufe ihres eigenen Werdeganges ausgesetzt sah, diese zu ihrem nachhaltigen Kampf für Geschlechtergerechtigkeit motivierten. Als Bundesverfassungsrichterin der ersten Stunde war sie schließlich an wichtigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Gleichberechtigung von Mann und Frau beteiligt und konnte so entscheidende Impulse für die Durchsetzung der Frauenrechte unter dem Grundgesetz setzen. Erna Scheffler war nicht nur eine Ausnahmejuristin, die von 1951 bis 1963 als erste Richterin am Bundesverfassungsgericht an maßgeblicher Stelle die Rechtsentwicklung der jungen Bundesrepublik mitgestaltete, sondern auch eine der einflussreichsten Kämpferinnen für die Gleichberechtigung von Frauen im 20. Jahrhundert. In ihrer Monographie zeichnet Marike Hansen den eindrucksvollen Lebensweg dieser - bis heute auch unter Juristen wenig bekannten - Persönlichkeit im Kontext der Entwicklung der Frauenrechte in Deutschland nach. Sie zeigt, dass nicht zuletzt die zahlreichen Beschränkungen und Diskriminierungen, denen sich Erna Scheffler im Laufe ihres eigenen Werdeganges ausgesetzt sah, diese zu ihrem nachhaltigen Kampf für Geschlechtergerechtigkeit motivierten. Als Bundesverfassungsrichterin der ersten Stunde war sie schließlich an wichtigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Gleichberechtigung von Mann und Frau beteiligt und konnte so entscheidende Impulse für die Durchsetzung der Frauenrechte unter dem Grundgesetz setzen.

Digitale Gerichtsöffentlichkeit

Informationstechnische Maßnahmen, rechtliche Grenzenund gesellschaftliche Aspekte der Öffentlichkeitsgewähr in der Justiz

Anne Paschke, Duncker & Humblot Verlag, 2018, S. 486, 109,90 €, ISBN 978-3-428-15517-0

Welche Rolle darf und muss das Internet mit den neuen Möglichkeiten der Digitalisierung bei der Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit spielen? Soll es neben der persönlichen Anwesenheit von Bürgern in einer Gerichtsverhandlung (sog. Saalöffentlichkeit) und der Information über Gerichtsverhandlungen durch Presse und Rundfunk (sog. Medienöffentlichkeit) auch eine digitale Gerichtsöffentlichkeit in Form von Videoübertragungen mit begleitenden Verfahrensinformationen über ein Justizportal im Internet geben? Die Arbeit widmet sich der rechtlichen und technischen Gestaltung einer verfassungskonformen digitalen Öffentlichkeitsgewähr unter Berücksichtigung der Rechte von Verfahrensbeteiligten. Am Ende stehen konkrete Reformvorschläge. Sie knüpfen an die E-Justice- und Open-Data-Entwicklung der letzten Jahre an. Unter dem Leitbild »Rechtsschutz durch Technikgestaltung« entwickelt die Autorin ein Modell zeitgemäßer, tatsächlich wirksamer externer Legitimation und Kontrolle der Justiz.

Architektur als Akteur?

Zur Soziologie der Architekturerfahrung

Theresia Leuenberger, transcript Verlag, 2018, S. 390, 39,99 €, ISBN: 978-3-8376-4264-3

Erfahren Nutzer_innen Gebäude so, wie es sich die Architekt_innen vorgestellt haben? Fühlen sie sich »eingeladen« oder eher »ausgeschlossen«?

Mit theoretischen Grundlagen aus Raumsoziologie, Praxistheorie und Akteur-Netzwerk-Theorie definiert und untersucht Theresia Leuenberger Architekturerfahrungen anhand des Kunsthaus Bregenz und der Kunsthal Rotterdam. Mit der Methode der Rekonstruktiven Sozialforschung zeigt sie, wie emotionale und rationale Gehalte von Erfahrungen aufeinander einwirkend Praktiken der Architekturerfahrung konstituieren. Dabei stellt sich heraus, dass diese nur bei übereinstimmenden Subjektpositionen oder im Falle einer Vorzeichnung durch das Gebäude den Vorstellungen der Architekten Peter Zumthor und Rem Koolhaas gleichen.

Frauenbilder im Werk der taiwanischen Autorin Xiao Sa

Eine postkoloniale Perspektive

Katharina Markgraf, LIT Verlag, 2018, 279 Seiten, 34,90 €, ISBN-13: 9783643140517

In den 1980er Jahren fanden in Taiwan maßgebliche kulturelle, gesellschaftliche und politische Umbrüche statt, mit denen Fragen nach kultureller und personaler Identität einhergingen. Die Autorin Xiao Sa (geboren 1953) beschreibt in ihrem Werk Konzepte von Weiblichkeit aus verschiedenen Perspektiven und greift damalige Diskurse auf. Diese literarischen Entwürfe weiblicher Identität in Taiwan werden in vorliegender Studie mit Konzepten des Postkolonialismus verknüpft. Wie konstituiert sich Weiblichkeit in den Texten Xiao Sas und wie reflektiert diese die Hybridität der taiwanischen Kultur?

Adolf Harnack zur »Frauenfrage«

Eine kirchengeschichtliche Studie

Claudia Kampmann, Arbeiten zur Kirchen- und Theologiegeschichte, 2018, 688 Seiten, 98,- €, ISBN 978-3-374-05395-7

 

Der evangelische Theologe und Kirchenhistoriker Adolf Harnack (1851–1930), der als der wissenschafts­politisch wichtigste Gelehrte im Kaiserreich anzu­sehen ist, engagierte sich seit 1890 für die zeitgenössische »Frauenfrage«. Er griff dazu auf seine Netzwerke in der Kultusbürokratie sowie im Kaiserhaus zurück und knüpfte neue Verbindungen zur bürgerlichen Frauenbewegung.

Diese Studie rekonstruiert aufgrund umfangreicher Recherchen in mehr als einem Dutzend Archiven Harnacks Beschäftigung mit der »Frauenfrage« im Evangelisch-Sozialen Kongress, seine Beteiligung an der Reform des höheren Mädchenschulwesens, die För­derung ­eigener Schülerinnen an der Universität und seine kirchenhistorischen Forschungen zu Frauen in der Alten Kirche.

Personale Differenzierung im Kaufrecht

Lydia Beil, Mohr Siebeck, 2018, 337 Seiten, 64,- €, ISBN 978-3-16-156130-6

Benötigen wir ein spezielles Kaufrecht für Verbrauchsgüterkauf- oder Unternehmerkaufverträge? Die aktuelle Situation ist paradox: In Deutschland versuchen Rechtsprechung und Gesetzgebung seit Jahren, einheitliche Regelungen für alle Personen zu schaffen und müssen dabei regelmäßig im Konflikt mit dem Europäischen Gerichtshof neue Ausnahmen für Verbraucherverträge einfügen oder Begriffe »gespalten auslegen«. In Frankreich existieren sogar zwei (bzw. drei) komplette Kaufrechts-Regime nebeneinander. In beiden Fällen ist die Rechtslage für den juristischen Laien unmöglich zu verstehen. Lydia Beil untersucht anhand eines umfassenden Vergleichs nationaler und internationaler Kaufrechtsinstrumente und unter Verwendung der ökonomischen Analyse, welche Differenzierungen dabei noch sachlich gerechtfertigt sind. Damit trägt sie insbesondere auch zur Diskussion um einen sinnvollen Inhalt für ein zukünftiges einheitliches europäisches Kaufrechtsinstrument bei.

Sportanthropologische und sporttraumatologischeAspekte des Frauenfußballs

Yvonne Voß, Logos Verlag, 2018, S. 448, 45.00 €, ISBN 978-3-8325-4707-3

Frauenfußball gewinnt nicht nur in Deutschland immer mehr an Popularität. Trotz steigender Professionalisierung existiert weiterhin ein großer Nachholbedarf bezüglich Frauenfußball-spezifischen anthropologischen Untersuchungen zur Verbesserung von Talentsuche und -förderung, Trainingsmethodik und Ernährung.Durch den Vergleich anthropologischer Messwerte gibt die vorliegende Arbeit Aufschluss darüber, inwieweit körperliche Unterschiede zwischen einem hochrangigem Fußballspielerinnen-Kollektiv und einer Kontrollgruppe von "normalen" sportlichen jungen Frauen bestehen und ob sich außerdem Differenzen zwischen den einzelnen Spielpositionen (Abwehr, Mittelfeld, Sturm, Tor) herauskristallisieren.
Die Erfassung der sportartspezifischen Verletzungen der Fußballspielerinnen ermöglicht den Vergleich der Verletzungsanfälligkeit der unterschiedlichen Spielpositionen bzw. der Konstitutionstypen.
Dieses Buch richtet sich an Sportwissenschaftler*innen, Sportmediziner*innen, Anthropolog*innen und Fußballtrainer*innen.
Yvonne Voß hat Sportwissenschaften an der J. W. Goethe-Universität in Frankfurt am Main studiert und an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg im Fachbereich Sportwissenschaft promoviert. Zusätzlich absolvierte sie die Ausbildung zur Heilpraktikerin mit erfolgreicher Zulassung und dem Schwerpunkt in der Fachrichtung „Traditionelle Chinesische Medizin“. Seit fast 20 Jahren ist sie erfolgreiche Personal Trainerin in den Bereichen Gesundheits- und Ernährungsberatung für Firmen, Sportmediziner, öffentliche Einrichtungen und Einzelpersonen. Zusätzlich unterstützt sie Vereine und Athleten in der Wettkampfvorbereitung.

Kunst und Gender

Zur Bedeutung von Geschlecht für die Einnahme von Spitzenpositionen im Kunstfeld

Katrin Hassler, Transcript, 2017, S. 306, 37,99 €, ISBN-10: 3837639908

Quantitative Perspektiven spielen in dem seit den 1970er Jahren intensivierten Diskurs um Kunst und Gender eine marginale Rolle. In besonderem Maße trifft dies für Positionen im Spitzensegment des internationalen Felds zu.
Katrin Hassler greift diese Leerstelle auf und liefert konkrete Zahlen zur Einnahme professioneller Positionen in diesem oft als feminisiert deklarierten Universum. Verschränkungen von Geschlecht, geografischer Herkunft und Bildungskapital sowie diachrone Entwicklungen stehen im Fokus und werden mittels des Ansatzes einer Gender-Kunstfeld-Theorie feldspezifisch analysiert, ohne dabei gesellschaftliche Machtverhältnisse aus dem Blick zu verlieren.

Pionierinnen der empirischen Sozialforschung im Wilhelminischen Kaiserreich

Wissenschaft, Politik und Gesellschaft - Band 8

Marion Keller, Franz Steiner Verlag, 2017, 444 Seiten, 66€, ISBN 978-3515119856

Mit einer Vielzahl von Untersuchungen zur sozialen Lage der Arbeiterschaft wurde um 1900 eine Datenbasis zur Lösung der sozialen Frage geschaffen. Marion Keller kann zeigen, dass Frauen dazu einen entscheidenden Beitrag geleistet haben – obwohl ihnen zu diesem Zeitpunkt der Zugang zu Universitäten noch weitgehend verwehrt und die Mitarbeit in politischen Vereinen und Parteien verboten war. Die empirischen Studien von Elisabeth Gnauck-Kühne, Gertrud Dyhrenfurth, Rosa Kempf und Marie Bernays waren aufwendig und methodisch innovativ. Sie vermittelten einen ersten Einblick in die bis dahin nicht erforschten prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen von Fabrikarbeiterinnen, Heimarbeiterinnen und Frauen in der Landwirtschaft.

Keller verknüpft in dieser Arbeit Ansätze der Wissenschaftsgeschichte mit einer geschlechterhistorischen und wissenschaftssoziologischen Perspektive, um den Beitrag von Frauen zur empirischen Sozialforschung im Wilhelminischen Kaiserreich sichtbar zu machen. Sie beleuchtet, in welchen Kontexten und unter welchen Einflüssen die Forschungsarbeiten der Pionierinnen entstanden – und welche Rückwirkung ihre Studien auf Wissenschaft, Politik und Gesellschaft hatten.

Die Freiheit der Vergebung

Eine freiheitstheoretische Reflexion auf die Prärogative Gottes im sakramentalen Bußgeschehen

Gunda Werner, Pustet Verlag 2016, 387 Seiten, 44 €, ISBN-10: 3791727796, ISBN-13: 9783791727790

Auch in säkularen Gesellschaften verschwindet das humane Bedürfnis nach Vergebung und Versöhnung nicht. Allerdings findet es andere Ausdrucksformen als die katholische Einzelbeichte. Wie kommt es zu dieser Verschiebung? Was lässt sich aus den außertheologischen Vergebungsdiskursen für die theologische Fragestellung gewinnen? Wie ist die Vergebung Gottes im Sakrament der Buße zu verstehen? Ziele dieser Arbeit sind erstens eine theologische Theorie der Vergebung, die sich in den soziokulturellen Kontext eines säkularen Staates und eines postmodernen Lebens hinein vermitteln lässt; zweitens eine dogmatische Begründung des Sakraments der Beichte im Kontext einer pneumatologischen Ekklesiologie. Eine umfangreiche dogmengeschichtliche Aufarbeitung des Bußsakraments in der Neuzeit und eine kritische Hermeneutik sowohl des Konzils von Trient als auch des II. Vatikanums liefern dafür die Basis.Gunda Werner, Dr. theol., geb. 1971, ist Juniorprofessorin für Dogmatik und Leiterin der Abteilung Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen. Sie wurde 2005 in Münster zum Dr. Theol promoviert und im Wintersemester 2015/2016 mit der vorliegenden Arbeit als erste Frau an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Uni Bochum habilitiert.

Zwischen Salon und musikalischer Geselligkeit

Henriette Voigt, Livia Frege und Leipzigs bürgerliches Musikleben

Mirjam Gerber, Georg Olms Verlag, 2016, S.404, 58€, ISBN 978-3-487-42177-3

Das Phänomen des musikalischen Salons im 19. Jahrhundert wurde bislang oft idealisiert dargestellt. Die Analyse zeitgenössischer Quellen eröffnet einen neuen Blick auf die faszinierende private Musikpraxis der Musikmetropole Leipzig und ihrer Akteure. Am Beispiel der musikalisch professionell ausgebildeten Frauen Henriette Voigt und Livia Frege lernt der Leser die bedeutenden Netzwerke und anspruchsvollen Aufführungsmöglichkeiten kennen, die Bürgerhäuser für Komponisten und Interpreten boten. Mendelssohns Opernfragment „Loreley“, Schumanns „Faust-Szenen“ und Brahms’ Lieder kamen hier ebenso zur Aufführung wie Bachs h-moll-Messe oder Beethovens Kammermusik. Die musikalischen Geselligkeitsformen des 19. Jahrhunderts bilden einen spannenden Kristallisationspunkt des Bürgertums und seiner Musikästhetik. Die Entstehung eines Werkkanons, die Idee einer bildungsorientierten Bürgerlichkeit und die Entwicklung eines öffentlichen Konzertlebens stehen in enger Wechselbeziehung damit. Eine Materialsammlung zu privaten Musikaufführungen in Leipzig mit Repertoireaufstellungen sowie eine lexikalische Untersuchung weiterer Veranstalter vervollständigen die Studie.

Drittwirkung im Unionsrecht

Die Begründung einer Horizontalwirkung allein durch Vorrang und unmittelbare Anwendbarkeit

Sarah Katharina Stein, Nomos Verlaggesellschaft 2016, S.151, 39€, ISBN 978-3-8487-3239-5

Eine vom DAB geförderte Magisterarbeit. - Die Arbeit entwirft eine indigen europarechtliche Lösung zum Problem der unmittelbaren Drittwirkung von primärrechtlichen Normen. Das Phänomen der Wirkung von ursprünglich abwehrrechtlich verstandenen Normen zwischen Privaten stößt häufig auf Kritik, die aus einer Übertragung von nationalstaatlichen, dogmatischen Ansätzen und Sichtweisen auf die europäische Ebene stammen. Die Arbeit untersucht die Rechtsprechungslinien des EuGH zu Grundfreiheiten, allgemeinen Grundsätzen und den Gewährleistungen der Grundrechtecharta sowie den Wortlaut der fraglichen Normen und entwirft eine eigene Theorie, die auf das Konstrukt der Drittwirkung verzichtet. Eine Horizontalwirkung kann nach der hier dargestellten Theorie allein durch die vom EuGH entwickelten und anerkannten Konzepte "Vorrang" und "unmittelbare Anwendbarkeit" begründet werden, ohne dass es einen Rückgriff auf das Konzept der "Drittwirkung" bedarf.

UnWohlgefühle

Eine Kulturanalyse gegenwärtiger Befindlichkeiten

Elisabeth Mixa, Sarah Miriam Pritz, Monica Greco, transcript Verlag, 2016, S.267, 29,99€, ISBN 978-3-8376-2630-8

Gegenwärtige westliche Gesellschaften sind von einem Paradoxon gekennzeichnet: Einem gesellschaftlichen Imperativ auf Wohlgefühle korrespondiert eine alarmierende Zunahme an psychischen Leidenszuständen. Burnout, Angstzustände, Depressionen- auch Selbstwahrnehmungen basieren zusehends auf einem therapeutischen Blick.International renommierte Wissenschaftler_innen, darunter Christina von Braun, Monica Greco, August Ruhs und Paul Stenner, gehen in diesem Buch aus transdisziplinärer Perspektive der Frage nach, wie diese Entwicklungen analysiert und erklärbar gemacht werden können.

religion@home? Religionsbezogene Online-Plattformen und ihre Nutzung

Eine Untersuchung zu neuen Formen gegenwärtiger Religiosität

Anna Neumaier, ergon Verlag 2016, S.478, 58€, ISBN 978-3-95650-141-8

Über den Wandel gegenwärtiger Religion und Religiosität ist in Debatten rund um Säkularisierung und Re-Sakralisierung viel diskutiert worden. Die Bedeutung neuer Medien wurde dabei aber noch wenig berücksichtigt. An diese Debatten anschließend widmet sich die vorliegende Studie deshalb religiöser Online-Nutzung, ihren Bedingungen, Formen und Konsequenzen: Was sind Auslöser für den Einstieg, Themen des Online-Austauschs, und in welchem Zusammenhang steht die Online-Nutzung mit der Einbettung in die lokale Gemeinde?Dem geht die Arbeit mit Blick auf christliche Online-Foren nach. Sie beschränkt sich dabei nicht auf Analysen der Online-Diskussionen, sondern stellt mit über 30 qualitativen Interviews und einer quantitativen Erhebung die Perspektive der Nutzer dieser Foren in den Mittelpunkt.Insgesamt zeigt sich: Forennutzung ist vor allem als Strategie der Restabilisierung individueller Religiosität zu verstehen. Ihr Ausgangspunkt sind weniger mediale Eigenschaften des Internets, sondern vielmehr Defizite traditioneller religiöser Angebote, die zu anhaltender Unzufriedenheit oder dem Abbruch der Gemeindeeinbettung führen. Durch die Aneignung individueller religiöser Expertise und Wiedereinbettung in einen Kontext kollektiver Legitimierung von Religiosität vermag die Online-Nutzung hier Ausgleich zu schaffen. Die erarbeiteten Nutzungsmuster und Typen online entstehender Gemeinschaften zeigen Details dieser Prozesse.

Die Schriftstellerin Emmi Lewald (1866 - 1946)

Weibliche Autorschaft, Zeitgeist und Literaturmarkt

Ruth Steinberg-Groenhof, Böhlau Verlag, 2015, S. 507, 69,90€, ISBN 978-3-4122-1788-4

Die 1866 geborene Emmi Lewald gehört zu den fast vergessenen Autorinnen des Deutschen Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Ihr Interesse galt unterschiedlichen Aspekten der gesellschaftlichen Umbruchsituation um 1900, insbesondere der Alltagsrealität bürgerlicher Frauen und der im Kaiserreich intensiv diskutierten "Frauenfrage". Die Studie untersucht die sozialhistorischen Bedingungen, das Selbstverständnis, die Berufswirklichkeit und die Werke einer bürgerlichen Berufsschriftstellerin, deren Schreiben von der Orientierung am Literaturmarkt, von persönlichen künstlerischen Ambitionen und von den neuen Literaturströmungen der Zeit ebenso bestimmt wurde wie vom Wunsch, den historischen Wandel der Frauenrolle literarisch zu verarbeiten.

Geschlechtsdiskriminierende Wirtschaftswerbung

Zur Rechtmäßigkeit eines Verbots geschlechtsdiskriminierender Werbung im UWG

Berit Völzmann, Nomos Verlag, 2015, S. 327, 79,00€, ISBN 978-3-8487-1849-8

Die Autorin unterzieht die Problematik geschlechtsdiskriminierender Werbung einer umfassenden rechtlichen Analyse. Sie geht neben der Wirksamkeit der Werbeselbstkontrolle vor allem auf das Verfassungsrecht ein, überträgt die Ergebnisse in das Lauterkeitsrecht und schlägt eine Verbotsnorm im UWG vor.

Dem kolonialen Blick begegnen

Identität, Alterität und Postkolonialität in den Fotomontagen von Hannah Höch

Denise Toussaint, transcript Verlag, 2015, S. 300, 36,99€, ISBN 978-3-8376-2874-6

Zwischen 1922 und 1931 schafft die Berliner Künstlerin Hannah Höch eine große Reihe an Fotomontagen, in denen sie sich mit der Repräsentation und Rezeption des Fremden im frühen 20. Jahrhundert auseinandersetzt. In ihren Arbeiten formuliert Höch nicht nur ein kritisches Statement zum Primitivismus und zu den westlich-hegemonialen Sichtweisen ihrer Zeitgenossen, sondern stellt auch eine geradezu postkoloniale Forderung nach einer transkulturellen, globalen Kunst auf. Denise Toussaints ausführliche Betrachtung und Neuinterpretation von Höchs Werken im Lichte postkolonialer Theoriebildung fügt der Wahrnehmung der Dadaistin eine bedeutende Facette hinzu und platziert sie in einem international hochaktuellen Forschungsfeld.

Wie man mit Worten Dinge erschafft

Die sprachliche Konstruktion fiktiver Gegenstände

Christiane Werner, V&R unipress, 2015, S. 260, 44,90€, ISBN 978-3-8471-0391-2

Die zentrale Fragestellung von »Wie man mit Worten Dinge erschafft« lautet: Wie können fiktionale Äußerungen, wie z.B. das Schreiben eines Romans, beschrieben werden? Es wird dafür argumentiert, dass auch diese sprachlichen Handlungen mit den Mitteln der Sprechakttheorie als Vollzüge sog. illokutionärer Akte beschrieben werden können. Weiter wird die These vertreten, dass Autoren mit diesen Äußerungen fiktive Charaktere erschaffen, die als besondere, nämlich nicht-räumliche Artefakte verstanden werden. Davon ausgehend kann bestimmt werden, dass fiktionale Äußerungen illokutionäre Akte vom Typ der Deklaration sind. Schließlich wird eine Analyse der Teilakte fiktionaler Äußerungen, d.h. der Bezugnahme und Prädikation vorgelegt.

Schnitzlers "Fräulein Else" und die Nackte Wahrheit

Novelle, Verfilmungen und Bearbeitungen

Alexandra Tacke, Böhlau Verlag, 2015, S. 184, 29,90€, ISBN 978-3-4122-2497-4

Im Zentrum von Arthur Schnitzlers Novelle "Fräulein Else" (1924) steht ein Skandal: Eine junge Frau entkleidet sich öffentlich im Musiksalon eines Hotels. Mit der Nacktszene greift Schnitzler ein Motiv auf, das um die Jahrhundertwende zu einem zentralen Thema avanciert und allseits präsent ist. Enthüllt wird dabei weniger der weibliche Körper als die "Nackte Wahrheit". Schnitzler geht es vor allem um ein Spiel mit der Sprachlosigkeit sowie der schamlosen Enthüllung der (Sprach-)Zeichen. Die zahlreichen Adaptionen und Bearbeitungen in Film, Fernsehen, Hörfunk, Bildender Kunst, Internet und Comic kreisen ebenfalls um diese Darstellungsproblematik, wie die Studie in ausführlichen Einzelanalysen erstmals zeigt.

Menschenrechte zwischen moralischer Begründung und politischer Verwirklichung

Eine Neubetrachtung der Adressierung von Menschenrechtspflichten

Daniela Ringkamp, mentis Verlag, 2015, S. 257, 42€, ISBN 978-3-8978-5846-6

Daniela Ringkamp geht in ihrer Studie auf den schon nachgerade als klassisch zu bezeichnenden Umstand ein, dass zwischen der moralischen Begründung und der tatsächlichen Implementierung von Menschenrechten global betrachtet eine große Lücke klafft. Für die Um‑ und Durchsetzung von Menschenrechten sind – darin bezieht sich die Autorin auf das institutionelle Verständnis von Menschrechten nach Thomas Pogge – die Staaten und ihre Institutionen verantwortlich. Menschenrechtsverletzungen verweisen demzufolge immer auf ein institutionelles staatliches Versagen. Das allerdings sei, so Ringkamps Kritik, zu eindimensional gedacht: „Die vorliegende Arbeit wird die von Pogge betonte ausschließliche Adressierung von Menschenrechtsansprüchen an Institutionen in Frage stellen [...]. Stattdessen argumentiert sie dafür, in bestimmter Hinsicht auch einzelne Individuen ohne Bezug zu öffentlichen Institutionen als Adressaten von Menschenrechtsansprüchen zu verstehen.“

Celeste Coltellini (1760-1828)

Lebensbilder einer Sängerin und Malerin

Carola Bebermeier, Böhlau Köln Verlag, 2015, S. 336, 44,90€, ISBN 978-3-412-22526-1

Celeste Coltellini war im späten 18. Jahrhundert eine der gefragtesten und bekanntesten Sängerinnen der Opera buffa in Europa. Selbst aus dem gehobenen bürgerlich-intellektuellen Milieu stammend war sie 13 Jahre als Primadonna an verschiedenen europäischen Theatern engagiert, bevor sie 1792 in die wohlhabende Neapolitanische Familie Meuricoffre einheiratete. Illustre Persönlichkeiten der Zeit standen mit ihr in Kontakt und trafen sich in ihrem Salon. Carola Bebermeier setzt sich theoretisch und praktisch mit den Herausforderungen und Fragestellungen der Frauenbiographik auseinander. Als zentrale Quelle dienen ihr die zehn Skizzenbücher Celeste Coltellinis, die deren gleichwertige zeichnerische Begabung erkennen lassen. Mit einem eigenen biographischen Konzept gelingt es der Autorin, Erkenntnis der neueren Biographikforschung in einer narrativen Form fruchtbar zu machen.

Nach dem Primitivismus?

Künstlerische Verhandlungen kultureller Differenz in der Bundesrepublik Deutschland, 1960-1990. Eine Postkoloniale Relektüre (Studien zur visuellen Kultur)

Kea Wienand, transcript Verlag, 2015, S. 364, 37,99€, ISBN 978-3-8376-2492-2

Die im Nationalsozialismus als »entartet« diffamierte Kunst, die auf vermeintlich »primitive Kulturen« referiert, galt in der Bundesrepublik Deutschland als »antifaschistisch«, ohne dass deren Kolonialrassismen reflektiert wurden. Wie aber wurde kulturelle Differenz in der Kunst der Bundesrepublik von 1960 bis 1990 verhandelt? Kea Wienand diskutiert, inwiefern KünstlerInnen wie Joseph Beuys, Sigmar Polke, Ulrike Rosenbach u.a. nach 1960 einen Primitivismus fortgeführt, verändert oder kritisiert haben. Sie zeigt auf, wie über Bilder von kultureller Differenz Vorstellungen von Künstlerschaft, Sexualität, Geschlecht und Geschichte thematisiert werden.

Erwachsenenbildung als Diskurs

Eine wissenssoziologische Rekonstruktion (Pädagogik)

Hannah Rosenberg, transcript Verlag, 2015, S. 226, 34,99€, ISBN 978-3-8376-3254-5

Wie funktioniert die Disziplin 'Erwachsenenbildung'? Und wie konstituiert sie ihren Gegenstand? Hannah Rosenberg rekonstruiert die Entstehung von 'Erwachsenenbildung' im binnendisziplinären Diskurs über vier Dekaden, indem sie die bislang unabhängig voneinander existierenden Perspektiven der Wissenschafts- und der Diskursforschung systematisch miteinander verschränkt. Sie zeigt, wie durch Leerstellen und Wiederholungen Identitätsprobleme und Blockaden der Disziplin entstehen konnten. Zugleich verweist die Studie auf die Potenziale und damit auf Perspektiven für die weitere Reflexion und Entwicklung der Erwachsenenbildungswissenschaft.

Weibliche Genitalbeschneidung im Kontext von Migration

Isabelle Ihring, Budrich UniPress Ltd. Verlag, 2015, S. 192, 26,90€, ISBN 978-3-86388-707-0

Weibliche Genitalbeschneidung ist ein Phänomen, das aus verschiedenen Perspektiven betrachtet unterschiedliche Reaktionen hervorruft. Wie erleben betroffene Frauen mit somalischer Herkunft die Praktik im Kontext von Migration? Und welchen Blick haben Fachkräfte der Sozialen Arbeit und migrierte somalische Männer auf weibliche Genitalbeschneidung? Insgesamt wird deutlich, dass die Perspektive betroffener Frauen und Männer in der Sozialen Arbeit in Zukunft deutlich mehr berücksichtigt werden muss.

Der geborgte Spiegel

Uniform, Männlichkeit und die photographischen Medien 1870 – 1930

Stella Donata Haag, Kulturverlag Kadmos, 2015, S. 416, 29,80€, ISBN 978-3-8659-9192-8

Sie war auch in Deutschland niemals wirklich weg. Sie hatte sich nur verkrochen in eine Nischenexistenz, von der zivilen Mehrheitsgesellschaft ignoriert oder belächelt: die militärische Uniform. Mit ihrer Rückkehr auf die Straßen und Bildschirme ist der Zeitpunkt gekommen, sie als Bildeffekt zu analysieren, als seit 150 Jahren wirksame sartoriale Körpertechnologie und semiotisches Prinzip. In ihrer Gleichzeitigkeit von semantischem Überfluss und subjektiver Verleugnung wird die Uniform zur Bildstörung. Die Prozesse der Zu-, Um und Überschreibung verdichteten sich mit Hochkonjunktur von Militär, medialer Herrschaftsinszenierung und privater Porträtphotographie im Kaiserreich. Doch Verbreitung und Prestige der Uniform im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert markieren zugleich einen kritischen Punkt in der psychohistorischen Entwicklung der westlichen, in besonderer Weise allerdings der deutschen Gesellschaft. Denn die Uniform war in all ihrem Glanze gerade Symptom einer Krise männlicher Subjektivität, eine Textil gewordene Geste kompensatorischer Frustration im Angesicht der Moderne als Zeitalter der Sichtbarkeit, zu dessen Hauptagenten die photographischen Medien zählen und in besonderer Weise das Kino als paradigmatische Kulturtechnik. Der uniformierte Körper antwortet dem Imaginären und wird sich selbst zum Bild: in dem Hochzeitsphoto des unbekannten Infanterie-Vizefeldwebels um 1911, in den Wochenschaubildern der Kaiserparaden oder in der Portiersuniform in F.W. Murnaus ›Der letzte Mann‹ (1925). Das Kino als der wiedergewonnene Spiegel, als das exhibitionistische wie fetischistische Medium ›par excellence‹ (Metz), wiederholt die illusorische Erfüllungsstruktur der Uniform. Bild und Narration dekonstruieren sich dabei oft gegenseitig, so dass mit den Bildern des Triumphes immer wieder die Geschichte der Kastration erzählt wird und sich im Bannkreis der Uniform Erzählungen ablagern, in denen sich die deviante Lust am männlichen Körper manifestiert. Dabei wird eine Linie erkennbar, die vom ›Hauptmann von Köpenick‹ zu Travis Bickle in ›Taxi Driver‹ (1976) führt, von Berlin vor dem Ersten Weltkrieg nach New York post Vietnam – und darüber hinaus auf die Cover der aktuellen Zeitgeistmagazine, in die Bildwelt der Egoshooter und die Bekennervideos auf Al Jazeera.

Herstellung von W/O/W-Doppelemulsionen

Untersuchungen zu Tropfenaufbruch und Koaleszenz der inneren Tropfen

Anna Schuch, Verlag Dr. Hut, 2015, S. 214, 45,00€, ISBN 978-3-8439-1647-9

W1/O/W2-Doppelemulsionen besitzen aufgrund ihrer mehrphasigen Struktur Potential für Anwendung in verschiedenen Industriebereichen z.B. zur Verkapselung von Stoffen oder zur Fettreduktion in Lebensmitteln. Die Herstellung dieser Strukturen stellt jedoch noch immer eine große Herausforderung dar.Ziel dieser Arbeit war es deshalb zum einen, den Aufbruch von Doppelemulsionstropfen in verschiedenen Strömungen zu untersuchen und zu beschreiben. Andererseits wurden die während oder direkt nach der Herstellung auftretenden Instabilitäten, die die Struktur der Doppelemulsionen verändern und damit auch deren Funktionalität beeinflussen, untersucht. Mithilfe des grundlegenden Verständnisses der Instabilitätsmechanismen soll es langfristig möglich sein, stabile Doppelemulsionen herzustellen.

Das Charisma der Könige

Zur Konzeption des altorientalischen Königtums im Hinblick auf Urartu

Julia Linke, Harrassowitz Verlag, 2015, S. 344, 48,00€, ISBN 978-3-4471-0349-7

Das altorientalische Reich Urartu mit seinem Zentrum im heutigen Ostanatolien war in seiner Blütezeit (9. bis 7. Jahrhundert v. Chr.) ein ernst zu nehmender Rivale Assyriens. Das Bild, das die zeitgenössischen assyrischen Quellen vom Nachbarn Urartu zeichnen, ist aufgrund der in erster Linie kriegerischen Kontakte zwischen den Reichen zum einen stark tendenziös gefärbt. Zum anderen baut es aber ebenso stark auf dem Selbstbild Assyriens auf und entspricht diesem auch weitgehend – demnach ist Urartu ein zentralisierter Staat, regiert von einem König, aufgeteilt in Provinzen, versehen mit einem differenzierten Beamtenapparat. Die Frage ist, wie weit dieses Bild den tatsächlichen Umständen in Urartu nahekommt und wie in Urartu selbst das Königtum gesehen wird. Schon der Name, den die Urartäer ihrem Land geben, ist ein anderer als der aus Assyrien stammende: Sie nennen es Biainili. Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, das urartäische Königtum, sein Selbstbild und die Selbstinszenierung seiner Könige so weit wie möglich aus urartäischen Quellen zu erschließen und des Weiteren mögliche Übernahmen aus anderen altorientalischen Kulturen auszumachen. Dabei geht es insgesamt weniger um die Rekonstruktion vorgeblich „historischer Realitäten“ als vielmehr um eine Annäherung an die ideologische Gedankenwelt des urartäischen Königtums. Fokus und roter Faden der Untersuchung ist stets der König als Amtsperson.

Fotografie und „Identität“

Visuelle Repräsentationspolitiken in künstlerischen Arbeiten der 1980er und 1990er Jahre

Kerstin Brandes, transcript Verlag, 2014, S. 288, 34,80€, ISBN 978-3-8394-1586-3

Als ein zentrales Medium der visuellen Repräsentation von »Identität« hat die Fotografie in den letzten drei Jahrzehnten einen zunehmend wichtigen Platz auch in künstlerischen Projekten erhalten. Kerstin Brandes fragt nach Möglichkeiten einer emanzipatorischen visuellen Politik und zeigt, wie die Verknüpfung postkolonialer und feministischer Theorien mit Theorien der Fotografie neue Blickweisen auf die Bilder eröffnet.

Künstlerische Arbeiten von Barbara Kruger, Carrie Mae Weems, Lorna Simpson u.a. werden dabei nicht als zu analysierende Objekte, sondern als Herausforderung für ebendiese Theorien diskutiert. Der Band bietet zudem eine kritische Revision des gegenwärtigen fotografischen Diskurses.

Resonant Alterities

Sound, Desire and Anxiety in Non-Realist Fiction

Sylvia Mieszkowski, transcript Verlag, 2014, S. 402, 36,99€, ISBN 978-3-8376-2202-7

»Resonant Alterities« bridges the gap between sound studies and literary criticism. A queer ghost story by Vernon Lee, an occultist novel of psychic adventure by Algernon Blackwood, a dystopian science fiction tale by J.G. Ballard and a post-traumatic short novel by Don DeLillo are its primary objects of analysis. Each is explored within the context of its contemporary cultural debates on sound. Meanwhile, all four theory-enriched readings focus on intersecting and desire-laden processes of meaning making, knowledge production and subject formation. Focal points are aurally/audio-visually structured phenomena expressive of both collective and individual anxieties.

Scham in der schulischen Sexualaufklärung

Eine pädagogische Ethnographie des Gymnasialunterrichts

Sara-Friederike Blumenthal, Springer Verlag, 2014, S. 172, 34,99€, ISBN 978-3-6580-6879-0

Im Kontext von unterschiedlichen psychologischen Konzepten erläutert die Verfasserin den Begriff Scham und grenzt ihn von Schuld, Peinlichkeit und Verlegenheit ab. In der Einleitung heißt es dazu: „Die Dateninterpretation zeigt fallübergreifend, dass Lehrende die Praxis der Beschämung in der Sexualaufklärung als Erziehungsmittel nutzen. Sie zeigt aber auch, dass SchülerInnen Lehrenden gegenüber Beschämung ausüben. Es wird deutlich gemacht werden, dass Beschämung nicht nur durch Erniedrigung oder Ausgrenzung einzelner Personen oder Personengruppen ausgeübt werden kann. Auch schulische Arrangements, wie etwa die thematischen Gliederung der Unterrichtsinhalte oder die Darstellung von Körpern in der Sexualaufklärung transportieren Aussagen über soziale Ordnungen.“Gegenstand der Forschung waren Kommunikationsprozesse in der schulischen Sexualaufklärung. Die Verfasserin hat dazu vier Gymnasialklassen in Berlin beim Sexualkundeunterricht begleitet Aus den Unterrichtsnotizen, den Video- und Tonaufzeichnungen, sowie den Interviews fließen viele Originalzitate in den Text ein.Aus der Interpretation der Ergebnisse zieht die Autorin praxisrelevante Folgerungen, die für eine große Zielgruppe bedeutsam sind.

(Dr. med. Patricia Aden)

Politische Partizipation und Repräsentation von Frauen in Serbien

Stefanie Friedrich, als Band 13 in der Reihe Studien zur Geschichte, Kultur und Gesellschaft Südosteuropas erschienen, LIT Verlag, 2014, S. 392, 49,90€, ISBN 978-3-6431-2365-7

Wie gestalteten sich die politischen Partizipationsmöglichkeiten von Frauen in Serbien seit 1945? In welchem Verhältnis steht ihre steigende politische Repräsentation zu den Demokratisierungsprozessen seit dem Jahr 2000? Und wie beeinflussen kulturelle, sozioökonomische, rechtliche und institutionelle Faktoren ihre politische Teilhabe? In dieser Studie wird zunächst aufgezeigt, wie sich die politische Partizipation und Repräsentation von Frauen während des jugoslawischen Sozialismus und während der vom Nationalismus geprägten Zeit der Jugoslawienkriege gestalteten. Im Fokus steht dann die politische Teilhabe von Frauen in Serbien in den ersten zehn Jahren nach dem Sturz Milosevi'cs.

Zwischen Suffering und Styling

Die lange Reise nigerianischer Migrantinnen nach Europa

Kristin Kastner, als Band 53 in der Reihe Beiträge zur Afrikaforschung erschienen, LIT Verlag, 2014, S. 320, 29.90€, ISBN 978-3-6431-1673-4

Diese Studie widmet sich den Lebenswelten nigerianischer Migrantinnen im Grenzraum der Meerenge von Gibraltar. Aus einer körperethnologisch orientierten Perspektive nähert sie sich den Grenzerfahrungen der Frauen auf ihrer langen Reise nach Europa. Ihre Körper spielen dies- und jenseits der Meerenge eine zentrale Rolle: Oft Objekt von Leid und Gewalt, ist der Körper in einem flüchtigen Leben unter meist klandestinen Verhältnissen zugleich auch letzte Ressource und entscheidendes Kapital, anhand dessen das Navigieren der Frauen zwischen äußeren Zwängen und individuellem Handlungspotential deutlich wird.

Akt und Anstand

Der Skandal um den Gustav Graef Prozess, Berlin 1885

Dagmar Reese, Böhlau Verlag, 2014, S. 175, 24,90€, ISBN 978-3-4122-2250-5

Als im März 1885 in Berlin der angesehene Maler und Professor an der Königlich Preußischen Akademie der Künste, Gustav Graef, verhaftet wurde, war dies ein Schock. Man warf ihm vor, mit seinem langjährigen Künstlermodell, Bertha Rother, ein sexuelles Verhältnis unterhalten und darüber vor Gericht gelogen zu haben. Ein halbes Jahr saßen der Künstler, die junge Frau, ihre Schwester und ihre Mutter in Haft, bevor sie Ende September 1885 vor Gericht gestellt und freigesprochen wurden. Der Prozess, von zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften beobachtet und kommentiert, wurde zum Skandal weit über Berlin hinaus. Mit einer dichten Beschreibung dieses Falles gibt Dagmar Reese Einblicke in die sich modernisierende Gesellschaft in der deutschen Hauptstadt am Ende des 19. Jahrhunderts.

Faltenwürfe der Geschichte

Entdecken, entziffern, erzählen

Sandra Maß, Xenia von Tippelskirch (Hrsg.), Campus Verlag, 2014, S. 518, 56,00€, ISBN 978-3-5935-0167-3

Paare, Briefe, Körper, Tanz: Die vielfältigen Beiträge dieses Bands nähern sich mit großem Einfühlungsvermögen der facettenreichen Vergangenheit Europas seit der frühen Neuzeit. Wie durch ein Schlüsselloch geben sie den Blick frei auf ungewöhnliche Alltagsszenen, unerwartete Machtkonstellationen und neu zu deutende Beziehungsgefüge. Die Konzentration auf die Miniatur und das Vergnügen am Erzählen lassen ein vielschichtiges Geschichts- und Menschenbild entstehen – jenseits der einschlägigen Meistererzählungen.

Die versöhnten Bürger

Der Zweite Weltkrieg in deutsch-niederländischen Begegnungen 1945–2000

Christine Gundermann, als Band 13 in der Reihe Zivilgesellschaftliche Verständigungsprozesse vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart erschienen, Waxmann Verlag, 2014, S. 470, 49,90€, ISBN 978-3-8309-3129-4

Der Zweite Weltkrieg ist bis heute ein historisches Bezugsereignis für die Niederlande und die Bundesrepublik Deutschland und hat über Jahrzehnte hinweg die Beziehungen beider Staaten zueinander bestimmt. Welche Rolle spielte der Krieg aber jenseits der Außenpolitik und medialer Zuschreibungen in konkreten Begegnungen von Bürgerinnen und Bürgern beider Staaten nach 1945? In der vorliegenden Studie werden zivilgesellschaftliche Kontakte anhand von acht Mikrostudien in unterschiedlichsten Feldern untersucht. Die Autorin zeigt auf diese Weise ein neues Feld grenzüberschreitender bürgerlicher Erinnerungskulturen jenseits nationaler Geschichtspolitik auf, in dem auf vielfältige Weise Formen der Versöhnung verhandelt wurden. Solche Begegnungserinnerungen hatten jedoch nicht zwangsläufig eine Aufarbeitung der schmerzhaften Vergangenheit zur Folge. Die hier vorgestellten transnationalen zivilgesellschaftlichen Versöhnungsbemühungen eröffnen damit neue Einsichten in die deutsch-niederländischen Nachkriegsbeziehungen.

Deutsche Frauen in den Südsee-Kolonien des Kaiserreichs

Alltag und Beziehungen zur indigenen Bevölkerung, 1884 – 1919

Livia Loosen, transcript Verlag, 2014, S. 675, 49,99€, ISBN 978-3-8376-2836-4

Die Kolonialgeschichte des Deutschen Kaiserreichs ist kurz und endete mit dem 1. Weltkrieg. Seine Kolonien befanden sich vor allem in Afrika. Wenn wir an deutsche Kolonien denken, steht Südwestafrika, das heutige Namibia, ganz oben in unserer Erinnerung. Aber auch in der Südsee gab es einige Inseln, die deutsche Kolonien waren.

Auch in der deutschen wissenschaftlichen Literatur spielt vor allem die Beschäftigung mit den afrikanischen Kolonien eine Rolle. Die Südsee-Kolonien waren eine Nebensache. Livia Loosen hat mit ihrer Doktorarbeit besonders in Bezug auf die Rolle der deutschen Frauen in den deutschen Kolonien der Südsee einen bedeutenden Beitrag zur Kolonialgeschichte erstellt.

Durch ihre umfangreichen Recherchen stand ihr unter anderem bisher unbekanntes, nicht veröffentlichtes Primärmaterial aus Privatbesitz zur Verfügung. Die Informationen aus den vielen Briefen und Berichten der deutschen Frauen in den Südsee-Kolonien, sei es an die Verwandtschaft oder auch an die sie entsendenden kirchlichen Missionen oder weltlichen Hilfsorganisationen wurden in dieser Arbeit hervorragend aufgeschlüsselt, wobei allerdings Wiederholungen nicht ausbleiben konnten. Bestimmte Aussagen und Beschreibungen können eben verschiedenen Analysekategorien zugeordnet werden.

Aber durch die vielen, verschiedenen Analyseaspekte wird der Alltag der Frauen in der Südsee sehr transparent.Beim Lesen dieser über 600 Seiten starken Dissertation darf man nicht vergessen, dass es eine historische Arbeit ist, keine sozialwissenschaftliche. Es geht nicht um Frauenrechte , nicht um Emanzipation, sondern um die Darstellung weiblicher Lebenswelten in ausgesprochen dienender Funktion, die von den Frauen selbst gewählt wurde und völlig dem Zeitgeist entsprach. Dabei thematisiert die Verfasserin diese Grundeinstellung der Frauen immer wieder und weist auf das weitgehende Fehlen von emanzipatorischen Gedanken bei den Frauen hin. Das Rollenverständnis aller deutschen Frauen in den Südsee-Kolonien war dem traditionellen europäischen Frauenbild des Bürgertums verhaftet: Die Frau als Dienerin des Mannes und als seine Gefährtin.

Alle die Frauen, die Schriftliches hinterlassen haben, waren offensichtlich noch nicht mit den Gedanken der deutschen Frauenbewegung, wie sie sich in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten, in Berührung gekommen. Diese Gedankenwelt war ihnen offensichtlich fremd. Sie wird von keiner Frau thematisiert.

Insofern bietet das Buch von Livia Loosen einen guten Einblick in die Denk- und Verhaltensweisen der meist bürgerlichen Frauen aus dem deutschen Mittelstand, die in die Südsee als Ehefrauen, Missionsangehörige, Krankenschwestern oder Lehrerinnen reisten. Es ist darüber hinaus auch ein guter Beitrag zu Denk- und Verhaltensweisen von deutschen Frauen des Mittelstandes überhaupt. Es ist aber kein Beitrag zum Aufbruch der Frauen in die Gleichberechtigung. Diesen Anspruch stellt die Autorin auch nicht. Sie will eine historische Wissenslücke schließen und das ist ihr sehr gut gelungen.

Dr. Vera Gemmecke-Kaltefleiter

Gruppe Kiel

Die Form des Chaos

Bild und Erkenntnis in der komplexen Dynamik und der fraktalen Geometrie

Nina Samuel, mentis Verlag, 2014, S. 551, 78€, ISBN 978-3-7705-5776-9

In den letzten Jahrzehnten haben die bildgebenden Möglichkeiten des Computers zum vieldiskutierten »Pictorial Turn« – der Wende zum Bild – in den Naturwissenschaften geführt. Mit dem öffentlichkeitswirksamen Auftritt der Bilder von Chaos und fraktaler Geometrie sowie ihrer breiten Popularisierung ab Mitte der 1980er-Jahre erfasste dieser Trend auch die Mathematik und damit diejenige Disziplin, die als »Reich des reinen Denkens« traditionell für ihre Bilderskepsis bekannt war.Die Bilder dieses Forschungsfelds werden in der vorliegenden Studie zum ersten Mal bildtheoretisch reflektiert und diskutiert. Im Zentrum stehen Arbeitsmaterialien aus privaten Bildarchiven von Mathematikern und Physikern. Eine besondere Rolle spielt dabei die Handzeichnung als Denkform, die auf der Schwelle zum digitalen Medienumbruch eine neue Schwungkraft gewinnt.

Caribbeanness as a Global Phenomenon

Junot Díaz, Edwidge Danticat, and Cristina Garcia

Rebecca Fuchs, WVT Wissenschaftlicher Verlag Trier, 2014, S. 298, 26,50€, ISBN 978-3-8682-1533-5

Die Karibik ist räumlich, historisch, kulturell, ethnisch und sprachlich eine ‚Grenzregion‘. Räumlich stellt sie sowohl einen Knotenpunkt zwischen Nord-, Süd- und Mittelamerika dar als auch eine Verbindung zwischen Neuer und Alter Welt, da die Kolonialisierung in der Karibik begann. Historisch trafen im Verlauf der Kolonialisierung zahlreiche Kulturen und Ethnien aufeinander und vermischten sich in Kreolisierungsprozessen. Gemeinsam ist allen karibischen Kulturen die Erfahrung der Kolonialzeit und Sklaverei, die von Gewalt und Ausbeutung geprägt waren. Die Dissertation fußt auf dem Argument, dass aus dieser Geschichte eine kollektive karibische Identität hervorging, die sogenannte ‚Caribbeanness‘. Diese äußert sich vor allem darin, dass die Menschen gelernt haben, mit gewaltsamen Erfahrungen umzugehen und zu überleben, was sich bis heute in kreativen Werken in Kunst, Literatur und Musik niederschlägt. Diese kreativen Strategien werden in der Studie herausgearbeitet, denn sie sind über den karibischen Kontext hinaus wertvoll. Die Karibik produziert Wissen und Lösungsstrategien für komplexe Probleme wie Gewaltherrschaft, Unterdrückung und Traumatisierung, die auch in anderen kulturellen Kontexten angewendet werden können und von dem das westliche Wissenssystem profitieren kann. Dadurch wird gezeigt, dass die Karibik nicht nur von globalen Einflüssen geprägt ist, sondern dass karibisches Denken und Wissen global relevant sind, wodurch eine Wechselbeziehung zwischen der Karibik und den ehemaligen (Neo-)Kolonialmächten betont wird.

Untersucht werden zwei Romane und ein Kurzgeschichtenzyklus von zwei karibischen Diasporaautorinnen und einem Diasporaautor, die in den U.S.A. leben. Sie sind Grenzgänger zwischen den Kulturen und kennen die Karibik ‚von Innen‘, aber nehmen auch eine distanziertere Außenperspektive ein. Ihre literarischen Werke werden in Dialog mit karibischer Theorie gelesen, die in der westlichen Forschung bislang nicht als gleichwertig in Bezug auf westliche Theorie akzeptiert wird. Dadurch werden auch die Grenzen zwischen Literatur und Theorie überschritten, denn die karibischen Texte erzählen Geschichten und theoretisieren gleichzeitig. Ein Beispiel ist die Verwendung von verschiedenen Erzählsituationen in den Texten. Der zentrale Ich-Erzähler in Díaz‘ Roman The Brief Wondrous Life of Oscar Wao, der keine anderen Figuren zu Wort kommen lässt, kann noch so vehement gegen den Diktator anschreiben; er bleibt bis zu einem gewissen Punkt selbst autoritär. Dadurch werden Strategien notwendig, die die Machtposition des Erzählers schwächen, zum Beispiel andere Versionen einer Geschichte, die der Erzähler selbst in Form von Intertexten (Anspielungen auf andere literarische Werke) einfügt.

In karibischer Diasporaliteratur spielt das Thema Gender in Bezug auf Grenzüberschreitungen eine zentrale Rolle. Der Protagonist Oscar in Junot Díaz‘ Roman kämpft beispielsweise mit seiner Rolle als dominikanischer Mann, von dem Machogehabe, Stärke und mitunter sogar Gewaltbereitschaft erwartet wird. Opfer dieser Rollenverteilung sind die Frauen im Roman, Oscars Mutter Beli, seine Schwester Lola und seine Geliebte Ybón, die verprügelt, vergewaltigt, gedemütigt und vertrieben werden, sobald sie sich nicht rollenkonform verhalten. Dennoch überschreiten alle Figuren im Roman die ihnen auferlegte Grenze zwischen den Geschlechtern und rebellieren gegen die Machtstrukturen der diktatorischen und vormals kolonialen Kontrollinstanzen. Anstatt ein Macho zu werden, bevorzugt Oscar science fiction und wird Schriftsteller. Als er sich in die Prostituierte Ybón verliebt, setzt er sein Leben aufs Spiel, um sie der Kontrolle eines typischen Machos zu entreißen. Auch wenn er dabei am Ende sein Leben verliert, erzählt sein Freund Yunior seine Geschichte und schreibt sie fort, indem er selbst gegen diktatorische Machtstrukturen anzuschreiben, die er auch in sich selbst vorfindet. Dieser Akt der Sichtbarmachung und die Entwicklung von Gegenmaßnahmen werden als dekoloniale Befreiungsstrategien gelesen, die die noch anhaltende Macht des Diktators aufbrechen.

Das Denken und Wissen ‚subalterner‘, marginalisierter Kulturen oder ethnischer Gruppen bietet eine neue, erweiternde Perspektive, die die Stellung des westlichen Wissens als zentrales, universelles System, das eng mit politischer und wirtschaftlicher Macht gekoppelt ist, herausfordert. Dadurch wird bewusst gemacht, dass westliches Wissen nur eine lokale Wissensform unter vielen ist, die nicht global für alle Kulturen angewendet werden kann. Damit einher gehen sozialer und politischer Wandel, denn bisher marginalisierte Kulturen werden nicht mehr nur als ‚Untersuchungsobjekte‘ angesehen, sondern als Subjekte, die selbst Wissen produzieren. Diese ‚Dekolonialisierung‘ des Wissens und Denkens ist essentiell, um noch immer auf Kolonialität basierende Machtstrukturen aufzubrechen und die Unabhängigkeit der ehemals Kolonisierten von politischer zu epistemischer Freiheit auszuweiten. Darüber hinaus ist das Ziel die Kreolisierung des Wissens, ein Dialog auf Augenhöhe zwischen in diesem Fall U.S.-amerikanischem/europäischem und karibischem Wissen. Karibische Diasporaliteratur und Theorie als Orte der Wissensproduktion bieten auch für andere kulturelle Kontexte Lösungsansätze, die nicht ungenutzt bleiben sollten. Vom Dialog zwischen verschiedenen kulturellen Wissenssystemen auf Augenhöhe profitieren alle, denn er bietet Strategien, die auf komplexe Problemfelder in unterschiedlichen globalen Kontexten angewendet werden können.

Im Konsens 3/2015 erschienen

Effects of multiple abiotic stressors on the species and genetic biodiversity of littoral Cladocera in two types of acidic habitats in Germany: hard-water mining lakes and soft-water bog lakes

Maria Belyaeva, Shaker Verlag, 2013, S. 172, 48,80 € , ISBN 978-3-8440-2391-6

In der Vergangenheit konzentrierte sich die ökologische Forschung über saure Seen auf Weichwasserseen, während Lebensgemeinschaften in natürlichen oder künstlichen sauren Hartwasserseen kaum untersucht wurden. Die Dissertation behandelt die Effekte multipler abiotischer Stressoren auf die Arten- und genetische Diversität litoraler Cladoceren in zwei unterschiedlichen Typen saurer Gewässer: Hartwasser-Tagebauseen und Weichwasser-Moorseen.

Ausschluss und Zugehörigkeit

Polnische jüdische Zwangsmigration in Schweden nach dem Zweiten Weltkrieg

Izabela A. Dahl, Metropol-Verlag, 2013, S. 406, 29,90€, ISBN 978-3-8633-1108-7

Nach dem Zweiten Weltkrieg und noch einmal forciert durch die antisemitische Kampagne 1968 in Polen verließen viele Jüd_innen das Land. Ein wichtiges Aufnahmeland war Schweden. Izabela A. Dahl analysiert in ihrer historisch-kulturwissenschaftlichen Studie die politischen und kulturellen Verhältnisse der Jahre 1945–1946 und 1968–1972 im Herkunfts- wie auch im Aufnahmeland. Im Zentrum der Arbeit stehen die Identitätskonstruktionen der polnischen jüdischen Zwangsmigrant_innen im Schweden der Nachkriegszeit und die Frage, inwiefern die jeweiligen historischen Umstände die Konstruktion von Identität beeinflussen und verändern. Dabei untersucht die Autorin, wie der historische Kontext, der zur Migration der polnischen Jüd_innen geführt hat, in der Forschung, in den Medien und in den Institutionen verhandelt wird. Die Studie basiert auf umfangreichen Archiv- und Presserecherchen sowie Interviews mit Zwangsmigrierten und gibt neue Einblicke in polnisch-jüdische, schwedisch-jüdische und schwedisch-polnische Beziehungen nach 1945.

Ausgräberinnen, Forscherinnen, Pionierinnen

Ausgewählte Porträts früher Archäologinnen im Kontext ihrer Zeit

Jana Esther Fries, Doris Gutsmiedl-Schümann (Hrsg.), als Band 10 in der Reihe Frauen – Forschung – Archäologie erschienen, Waxmann Verlag, 2013, S. 288, 24,90€, ISBN 978-3-8309-2872-0

Die ersten Archäologinnen waren im doppelten Sinne Pionierinnen. Sie leisteten wichtige Anteile an der Entwicklung ihrer akademischen Fächer und übernahmen zudem auf Ausgrabungen, in Museen und Universitäten für Frauen in der damaligen Zeit ganz ungewöhnliche Aufgaben. Im zehnten Band der Reihe Frauen – Forschung – Archäologie wird plastisch dargestellt, was es für Frauen ab Mitte des 19. Jahrhunderts hieß, Archäologin zu sein. Die Haltungen von Familien und sozialem Umfeld zu den grabenden und forschenden Frauen werden ebenso geschildert wie Förderung und Behinderung durch eine männlich geprägte Fachwelt, die Schwierigkeiten, die es den Frauen bereitete, Archäologie und Familie unter einen Hut zu bringen und die dauerhafte Würdigung in der Fachgeschichte.Von der frühesten sächsischen Archäologin über Pionierinnen der Klassischen Archäologie in den USA und Großbritannien bis zur ersten Professorin in der Türkei werden Porträts von 19 Frauen gezeichnet, von denen jede auf ihre Weise archäologisches Neuland erschloss.

Wanderungen

Migrationen und Transformationen aus geschlechterwissenschaftlichen Perspektiven

Annika McPherson, Barbara Paul, Sylvia Pritsch, Melanie Unseld, Silke Wenk (Hrsg.), transcript Verlag, 2013, S. 240, 28,80€, ISBN 978-3-8376-2220-1

Menschen, Dinge und Konzepte sind weltweit in Bewegung geraten. Welche Effekte haben diese vielfältigen Wanderungsbewegungen zwischen Kulturen und Disziplinen auf politisches Handeln und auf die wissenschaftliche Praxis? Wie lassen sich die unterschiedlichen Migrations- und Transformationsprozesse in Bezug auf Geschlechterverhältnisse analysieren? Die inter- und transdiziplinären Beiträge dieses Bandes (aus Kultur-, Sozial-, Politik- und Rechtswissenschaften) nehmen nicht nur die Migration von Menschen, sondern auch die von kulturellen Artefakten sowie von Ideen und Konzepten in den geschlechterwissenschaftlichen Blick.

Erfolgreiches Charakterdesign für Computer- und Videospiele

Solveigh Jäger, Springer V.S., 2013, S. 284, 39,99€, ISBN 978-3-6580-2625-7

Computerspiele sind ein rasant wachsendes Massenmedium, das unsere Kultur und Gesellschaft heute entscheidend prägt und beeinflusst. Die Analyse virtueller Spielfiguren und die Auseinandersetzung mit ihrer Bedeutung sind aber bislang wenig erforscht, obwohl Charaktere zu den Schlüsselkomponenten von Spielen gehören. Solveigh Jäger gibt einen umfassenden Einblick in die komplexe Welt der digitalen Spielfigur, als interaktives Pixelbild und verbindenden, realen Bestandteil unserer Kultur und Gesellschaft. Sie zeigt, dass ein erfolgreiches Charakter-Design ein medienpsychologisches Verständnis über den Spieler als Rezipienten voraussetzt. Die Grundregeln des menschlichen Verhaltens wirken sich direkt auf den virtuellen Repräsentanten in der digitalen Welt aus und beeinflussen die Wahrnehmung des Spielers in Abhängigkeit von seinem Typus, Geschlecht und dessen Kultur.

Gegenarchive

Bäuerliche Autobiographik zwischen Zarenreich und Sowjetunion

Julia Herzberg, transcript Verlag, 2013, S. 496 43,99€, ISBN 978-3-8376-2136-5

Gewalttätig, naiv und stumm – nach der Aufhebung der Leibeigenschaft 1861 galt diese Charakterisierung des russischen Bauern nicht mehr. Der Bauer wurde zum Symbol für eine in Bewegung geratene Gesellschaft. In Autobiographien und Tagebüchern erzählten Bauern ihre Leben als Sklaven, Autodidakten oder religiös Erweckte und eroberten eine Leserschaft, die in diesen Texten neben dem vermeintlich ›echten‹ Bauern auch alternative Gesellschaftsentwürfe fand. Julia Herzberg analysiert Entstehungssituationen, Publikation und Überlieferung dieser einzigartigen Quellen bis zur Kollektivierung der 1930er Jahre, die mit der bäuerlichen Autonomie auch das Erzählen über das eigene Leben erstickte.

Ornamente der Fassade in der europäischen Architektur seit den 1990er Jahren

Uta Caspary, Jovis Verlag, 2013, S. 336, 35€, ISBN 978-3-8685-9233-7

Abwechselnd gefeiert und verurteilt, zugleich historisch rückgebunden wie zukunftsweisend, ist das Ornament eine wesentliche, nicht selten unterschätzte Vokabel der Architektursprache. Dieses Buch fächert den Ornamentdiskurs seit dem 19. Jahrhundert aus kulturhistorischer Sicht auf und nutzt ihn als Hintergrund für eine umfassende Darstellung und Analyse der gegenwärtigen Ornamenttheorie und -praxis. Dabei stehen die kommunikative Qualität und die ästhetische Faszination von aktuellen Fassaden-Ornamenten im Mittelpunkt. Zahlreiche Beispiele veranschaulichen ein großes Spektrum ornamentaler Erscheinungsformen, das von regionalen Traditionen und Vorlagen der bildenden Kunst über den Formenschatz der Natur bis hin zu den bewegten Licht-Ornamenten der Digitalfassaden reicht. In seiner Verbindung von Architektur-, Kunst- und Kulturgeschichte ist dieser Beitrag zur Ornamentdebatte im 21. Jahrhundert wegweisend.

Virilismus und Kälte

Mentalitäten, Habitusformen und poetische Metaphorik bei Gottfried Benn

Phuong Duong, Mensch und Buch Verlag, 2013, S. 278, 39,90€, ISBN 978-3-8638-7343-1

Bonyatsi

Heirat, Status und Beziehungsstrategien in einem südafrikanischen Township

Katrin Schaumburg, als Band 34 in der Reihe Kölner ethnologische Studien erschienen, LIT Verlag, 2013, S. 296, 29,90€, ISBN 978-3-6431-2205-6

Mit dem vorliegenden Buch stellt die Autorin die bevorzugte Beziehungsstrategie einer bestimmten Gruppe von Frauen im Township Mamelodi vor: Bonyatsi. Obwohl Eheschließungen einen hohen sozialen Status versprechen, entschließen sich diese Frauen dazu, eine Beziehung mit einem gut situierten, aber bereits verheirateten Mann einzugehen. Die Autorin zeigt mittels zahlreicher Lebensgeschichten und qualitativer Interviews, wie bonyatsi den Frauen ermöglicht, agency zu entwickeln und ihren Platz in der hoch stratifizierten südafrikanischen Gesellschaft mitzubestimmen

Hotel Glamour

Venezolanische Transformistas in Europa

Katrin Vogel, Campus Verlag, 2013, S. 316, 39,90€, ISBN 978-3-5933-9963-8

Trans, Prostituierte, Migrantinnen ohne geregelten Aufenthaltsstatus - das Leben venezolanischer Transformistas in Europa verläuft in einer körperlichen, legalen und räumlichen Grauzone. Transformistas verstehen sich als männlich Geborene, die ihre Körper zu hyperfemininer Schönheit formen, weil sie Männer begehren. Ihren Traum von Europa, vom großen Geld und Hedonismus verwirklichen sie, indem sie die Nachfrage nach Transprostituierten auf dem europäischen Sexmarkt bedienen. Im "Hotel Glamour" in Barcelona hat Katrin Vogel den Alltag der Transformistas jenseits des Straßenstrichs geteilt. Entstanden ist die Ethnografie einer Lebenswelt, die sich zwischen dem prekären "Hier und Jetzt" in Europa und dem Wunsch nach einem Eigenheim an der Karibikküste Venezuelas aufspannt.

Neubesetzungen des Kunst-Raumes

Feministische Kunstausstellungen und ihre Räume, 1972-1987

Monika Kaiser, transcript Verlag, 2013, S. 298, 35,80€, ISBN 978-3-8376-2408-3

Wie stehen Kunst und weibliche Emanzipation in Zusammenhang? Mit einem Spannungsbogen von den hochpolitischen Anfängen feministischer Künstlerinnenausstellungen am Anfang der 1970er Jahre bis zu deren subversiven Ausläufern Mitte der 1980er Jahre stellt Monika Kaiser internationale Projekte wie Womanhouse (Judy Chicago), Magna Feminismus und Kunst mit Eigen-Sinn (Valie Export) sowie sechs weitere exemplarische Ausstellungen in einen neuen, am Raum orientierten Bedeutungszusammenhang.Unveröffentlichtes Quellenmaterial ermöglicht die Rekonstruktion konkreter Ausstellungsräume und gibt Einblick in einen bislang unterschätzten Teil emanzipatorischer Ausstellungskultur.

Geschlecht, Religion und völkischer Nationalismus

Die Ärztin und Antisemitin Mathilde von Kemnitz-Ludendorff (1877-1966)

Annika Spilker, Campus Verlag, 2013, S. 447, 49,90€, ISBN 978-3-5933-9987-4

Die Ärztin, Frauenrechtlerin und antisemitische Theoretikerin Mathilde von Kemnitz-Ludendorff war eine der umstrittensten Figuren der Weimarer Republik. Gemeinsam mit ihrem dritten Ehemann, dem General und Politiker Erich Ludendorff, führte sie den nationalistischen "Tannenbergbund" und gründete den völkisch-religiösen Verein "Deutschvolk", von dem noch heute Nachfolgeorganisationen bestehen. Die Autorin analysiert die komplexen Kommunikationszusammenhänge, in denen Mathilde von Kemnitz-Ludendorff ihre radikalen Erneuerungs- und Erlösungskonzepte bis in die frühen 1930er- Jahre entwickelte. Dabei werden sowohl der medizinhistorische Kontext als auch die Bezüge zur Frauenbewegung in einer kultur- und geschlechtergeschichtlichen Zusammenschau berücksichtigt.

Sprache Macht Geschlecht

Sprachpolitik als Geschlechterpolitik. Der Fall Frankreich

Jutta Hergenhan, Ulrike Helmer Verlag, 2012, S. 278, 29,95€, ISBN 978-3-8974-1345-0

Jutta Hergenhan zeigt auf, dass die Geschlechterungleichstellung in der französischen Sprache ein historisches Phänomen ist, das seinen Ursprung in der Frühen Neuzeit nahm. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts stellten sich gleichzeitig auch die Weichen für eine spätere Geschlechtertrennung in der Politik, wobei sprachliche Entwicklungen keine unbedeutende Rolle spielten. Die heutige französische Gleichstellungspolitik zielt auf Parität der Geschlechter in Politik und Sprache. Dabei gibt es jedoch unterschiedliche Wege, wie der Vergleich mit den französischsprachigen Landesteilen Kanadas, Belgiens und der Schweiz zeigt.

Moralpolitik und Religion

Bedingungen politisch-religiöser Kooperation in Polen, Italien und Spanien

Anja Hennig, Ergon Verlag, 2012, S. 473, 30€, ISBN 978-3-8991-3912-9

Moralpolitik ist ein konfliktreiches Feld, in dem unvereinbare Wertvorstellungen aufeinander prallen. Beispielhaft sind die hier untersuchten Debatten um die rechtliche Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen und künstlicher Befruchtung sowie um die Anerkennung homosexueller Partnerschaften; sensible Themen, zu denen die katholische Kirche eindeutig Position bezieht. Daher provozierten Forderungen nach einer liberalen Handhabe insbesondere in katholischen Ländern während der letzten zwanzig Jahre heftige Kontroversen. Moralpolitik ist daher auch ein Feld, in dem Religion und Politik besonders sichtbar aneinander geraten, oder sich - wie dieses Buch zeigt - gegenseitig stützen. Eingebettet in die säkularisierungskritische Diskussion legt das Buch eine vergleichende Analyse der genannten moralpolitischen Konflikte in Polen, Italien und Spanien zwischen 1990 und 2010 vor. Die Autorin geht der Frage nach, weshalb sich diese katholischen Länder in ihrer moralpolitischen Gesetzgebung unterscheiden: Warum setzte sich in Spanien die "Homo-Ehe" sowie eine liberale Handhabe von Abtreibung durch? In Polen und Italien waren hingegen jene erfolgreich, die eine politische Anerkennung homosexueller Paare ablehnten und die reproduktiven Rechte von Frauen einschränkten. Zur Klärung dieser Frage untersucht die Autorin das jeweilige Zusammenspiel bestimmter Facetten von Religion und Politik im Verlauf der Konflikte. Ihre Ergebnisse weisen dabei deutlich über die Länderstudien hinaus.

Habitus, Herkunft und Positionierung

Die Logik des Journalistischen Feldes

Klarissa Lueg, Springer V.S., 2012, S. 264, 32,99€, ISBN 978-3-5311-9569-8

Klarissa Lueg geht der Frage nach dem Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und der Hierarchie im journalistischen Feld nach. Dabei wird grundsätzlich die Herkunft von ChefredakteurInnen und JournalistenschülerInnen und die Bedeutung dieser sozialen Herkunft für Berufszugang und Positionierungsstrategien erläutert. Es wird deutlich, dass nicht nur die Karrierewege der untersuchten Gruppen selbst ein herkunftsspezifisches Muster aufweisen, sondern dass auch die Verteilung und Zuweisung von Macht im journalistischen Feld eng mit der Herkunft ihrer TrägerInnen verbunden ist.

Zeitgeschichte als Geschlechtergeschichte

Neue Perspektiven auf die Bundesrepublik

Julia Paulus, Eva-Maria Silies, Kerstin Wolff (Hrsg.), in der Reihe Geschichte und Geschlechter erschienen, Campus Verlag, 2012, S. 336, 39,90€, ISBN 978-3-5933-9742-9

In der Zeitgeschichte herrscht die These einer fortschreitenden Emanzipation der Frauen seit den 1950er-Jahren vor. Bei genauerer Betrachtung ergibt sich freilich ein anderes Bild. Anhand von Themenfeldern wie »Beruf und Familie«, »Sexualitäten und Körper« und »Partizipation und Protest« wird in diesem Band die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik einer geschlechterhistorischen Analyse unterzogen. Dabei wird deutlich, dass sich gesellschaftlich tief verwurzelte Vorstellungen zu den Geschlechterrollen nur langsam verändern - egal, ob in Zeiten der Stagnation oder eines dynamischen Wandels.

Santería und ihre Globalisierung in Kuba

Tradition und Innovation in einer afrokubanischen Religion

Claudia Rauhut, Egon Verlag, 2012, S. 340, 42€, ISBN 978-3-8991-3946-4

Die Dissertation untersucht Akteur/innen, Praktiken und Konfliktfelder der transnationalen Vernetzung der afrokubanischen Religion Santería. Entstanden aus dem religiösen Erbe westafrikanischer Sklaven/innen und des iberisch-kolonialen Katholizismus ist sie heute die populärste Religion in Kuba. Durch kubanische Migrant/innen, globale Kulturindustrien und Tourismus gelangte die Santería in die USA, die Karibik, nach Lateinamerika und Europa. Die lokale Religionspraxis vollzieht sich seit den 1990er Jahren zunehmend in nationen- und grenzüberschreitenden Räumen und wird durch reziproke Verpflichtungen innerhalb transnationaler Ritualfamilien gestützt. Claudia Rauhut hat basierend auf qualitativen Feldforschungen zwischen 2004 und 2007 in Havanna die Neuverhandlung von Macht, Tradition und Innovation im transnationalen religiösen Feld Kubas analysiert. Sie arbeitet historische, soziale, ökonomische und politische Faktoren der Transnationalisierung der Santería und ihre Konfliktfelder heraus. Diese behandeln Deutungskämpfe um die Ausrichtung der Ritualpraxis, um religiöse Institutionalisierung und ethische Normierung, um widerstreitende Traditionsbezüge zwischen Kuba und Afrika, neue Geschlechterrollen sowie veränderte Beziehungen zwischen afrokubanischen Religionen und katholischer Kirche. Santería-Praktizierende Kubas und ihr Expertenkampf zielen auf die Kontrolle eines unausweichlichen Religionswandels in einem globalisierten Setting ab. Darin geht es um Teilhabe und Integration in globale religiöse Entwicklungen einerseits und Selbstbehauptung einer Souveränität im lokalen Religionshandeln andererseits.

Der Nationalsozialismus im Film

Von Trimp des Willens bis Inglourious Basterds

Sonja M. Schultz, Bertz + Fischer Verlag, 2012, S. 560, 29€, ISBN 978-3-8650-5314-5

Das Kino war ein entscheidender Ort nationalsozialistischer Selbstdarstellung, und der Film hat sich seit den faschistischen Propaganda-Bildern unablässig mit dem Nationalsozialismus befasst: mit den Nazis und Hitler, mit dem Holocaust, dem Vernichtungskrieg, mit Widerstand und Befreiung. Wieder und wieder wird die Vergangenheit, die sich nicht bewältigen lässt, inszeniert: in Spielfilmen, Satiren, Dokumentarfilmen, als Holocaust-Drama, Science-Fiction, Trashfilm oder Doku-Soap, im Kino, im Fernsehen und im Internet.

Sonja M. Schultz wagt eine Gesamtschau von über 80 Jahren NS im Film, von den 1930ern bis heute. Wie ändern sich die Bilder durch die Jahrzehnte, wie unterscheiden sie sich etwa in den USA, Deutschland, Osteuropa oder Israel? Und wie sind sie verzahnt mit den zeitgeschichtlichen Diskussionen um Täterschaft und Verleugnung, Erinnerung und Opfergruppen, nationale Selbstdefinition und staatliche Geschichtspolitik?

Literarische Aneignung und künstlerische Transformation

Zur Literaturrezeption im Werk von Marcel Broodthaers

Viola Hildeberand-Schat, Schreiber Verlag, 2012, S. 368, 49€, ISBN 978-3-8896-0127-8

„Der vorliegenden Untersuchung ist die Bereitschaft des Lesers zu wünschen, den in Broodthaers’ Œuvre angelegten beweglichen Fluchtlinien und Strömungen nachzuspüren, insbesondere denjenigen, in die er Literatur und bildende Kunst, Geschichte und Gegenwart, Theorie und Praxis hineinzuziehen verstand. Dafür liefert dieses Buch die vielfältigsten Ansatzpunkte und Querverweise.“

Gregor Stemmrich

Vokale Intensitäten

Zur Ästhetik der Stimme im postdramatischen Theater

Jenny Schrödl, transcript Verlag, 2012, S. 318, 35,80€, ISBN 978-3-8376-1851-8

Theaterstimmen faszinieren. Wenn auf der Bühne lauthals geschrien, exzessiv geflüstert oder chorisch gesprochen wird, dann erhalten Stimmen eine auffällige Präsenz im Raum und rufen beim Publikum starke sinnlich-affektive Eindrücke hervor. Im Zentrum dieses Buches, das durch eine CD-ROM mit Theaterszenen ergänzt wird, stehen solche Situationen vokaler Intensität. Anhand zahlreicher Beispiele (u.a. Castorf, Gotscheff, Perceval, Pollesch, Schleef) wird die Sprechstimme im postdramatischen Theater hinsichtlich Materialität, ästhetischer Erfahrung und Ko-Präsenz analysiert und damit erstmals systematisch in Bezug auf ihre besondere Ästhetik untersucht. Die Studie liefert dadurch einen grundlegenden Beitrag zur Aufführungstheorie und -analyse sowie zur Stimm- und Performativitätsforschung.

Weltnaturschutz

Umweltdiplomatie in Völkerbund und Vereinten Nationen 1920-1950

Anna-Katharina Wöbse, Campus Verlag, 2012, S. 364, 39,90€, ISBN 978-3-5933-9434-3

Als der Völkerbund 1920 in Genf seine Tätigkeit aufnahm, stand auch der Naturschutz auf der Tagesordnung. Probleme wie die Meeresverschmutzung durch Öl erforderten internationale Verhandlungen, der Planet Erde wurde als fragiler Gemeinschaftsraum sichtbar. Anna-Katharina Wöbse stellt die Debatten zwischen zivilgesellschaftlichen Akteuren und hoher Diplomatie dar und legt offen, dass daraus neben der Idee des »Weltnaturerbes« auch zahlreiche bis heute gültige Schutzabkommen hervorgingen.

Soziale Dimensionen visueller Kommunikation in hoch- und spätmittelalterlichen Frauenkommunitäten

Stifte, Chorfrauenstifte und Klöster im Vergleich

Katharina Ulrike Mersch, V&R Unipress, 2012, S. 514, 79,99€, ISBN 978-3-8997-1930-7

Inwiefern prägte die Ordenszugehörigkeit den Werthorizont mittelalterlicher Frauenkommunitäten? Diese Frage diskutiert Katharina Ulrike Mersch aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive anhand von Zeugnissen visueller Kommunikation. Auf Basis von Luhmanns Systemtheorie entwickelt sie eine kommunikationshistorische Methode der Bildinterpretation. Diese ermöglicht, die Beziehungen der Frauenkommunitäten zur Kirche, den Orden, anderen Konventen sowie zur laikalen Bevölkerung in einer komparativen Langzeitstudie gegeneinander abzuwägen. Um einen Beitrag zur Ordensforschung zu leisten, werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten behandelt, die sich dabei in den verschiedenen kanonikalen und monastischen Lebensentwürfen ergeben. In dieser Hinsicht erweisen sich fünf Themenkomplexe Wissensvermittlung, Osterkult, Eucharistiedevotion, weltliche Bildinhalte und Medien der Kontemplation als besonders aussagekräftig und werden bevorzugt behandelt.

„…eine Mischung von Sinnlichkeit und Witz…“

Ironische Inszenierung der Geschlechter in Heinrich Heines „Lutezia“

Anne Stähr, Aisthesis Verlag, 2012, S. 236, 29,80€, ISBN 978-3-8952-8922-4

Heinrich Heines Lutezia ist erst in der jüngeren Heine-Forschung wieder in den literaturwissenschaftlichen Fokus gerückt. Die Untersuchung der Ironie in Heines Texten stellt dagegen eine langjährige Forschungstradition dar. Worin aber besteht die Funktion des Ironischen für die Geschlechterinszenierungen bei Heine? Und welche Bezüge zum (Wissens-)Diskurs über Geschlecht in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stellt Heines Feuilleton her? Anne Stähr nimmt diese Schnittstellen in den Blick und macht die Kategorie ‚Gender‘ für die Lutezia produktiv.

Soziale Beziehungen im Migrationsverlauf

Brasilianische Frauen in Deutschland

Sabina Stelzig-Willutzki, VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2012, S. 276, 42,99€, ISBN 978-3-5311-8572-9

Sabina Stelzig-Willutzki untersucht den Einfluss sozialer Beziehungen auf die eigenständige Migration von Frauen am Beispiel von Brasilianerinnen in Deutschland. Sowohl die Bedeutung der Kontakte zu anderen brasilianischen Migranten und Migrantinnen, als auch die Kontakte zu Personen und (binationalen) Netzwerken im Zielland der Migration werden analysiert. Die Autorin zeigt, dass soziale Beziehungen Migrationsverläufe nicht nur durch Informationen und instrumentelle Hilfen beeinflussen können, sondern auch durch Prozesse ethnischer Stereotypisierungen.

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